Podcast: Man kann nicht lernen, nicht zu lernen

Episoden:

Ein Rettungsboot namens Bildung

Zu den beliebten Kinderbüchern gehört die „Hasenschule“. Tatsächlich aber gibt es Bildung und Institutionen des Lernens nur in menschlichen Gesellschaften. Der lateinische Begriff für Bildung heißt ERUDITIO: aus dem rohen Holz eine Form herausarbeiten. Dies entspricht einer früheren Vorstellung von Pädagogik. Die modernere Vorstellung hält dem entgegen: Es ist besser, von den Kindern zu lernen. Deren Natur ist reicher als jede Erziehung sein kann. Man soll, heißt es, bei Pestalozzi, bei Rousseau und bei dem modernen Bildungsforscher Piaget, nicht das Alte einprägen, sondern eine neue Welt entwickeln. Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Universität Konstanz und Verfasserin des Proust-ABC, über das RETTUNGSBOOT NAMENS BILDUNG.

Erstausstrahlung am 08.03.2010

Bildung zwischen Zwang und Freiheit

Der Begriff der BILDUNG geht davon aus, dass sich etwas im Innern der Menschen aus eigener Logik entwickelt. Erst an der Schwelle zum 19. Jahrhundert wird dieser Begriff in den Schulen und Universitäten dominant. Der Begriff der ERZIEHUNG geht dem gegenüber davon aus, dass ein Mensch von Außen geformt werden kann und somit ein Zwang und ein Stoff die jungen Menschen prägt. Immanuel Kant verbindet in seinem Begriff des „aufgeklärten Lernens“ den Zwang, den eine Sache auf den Lernenden ausübt mit dem Begriff der Freiheit, ohne den Menschen nicht gedeihen und nicht Mitglieder eines Gemeinwesens werden können. Die Französische Revolution hat die schwächste Vorstellung eines freiheitlichen Bildungssystems entwickelt. Die konservativen preußischen Reformer haben dagegen das liberalste Modell eines Erziehungssystems entworfen (Wilhelm von Humboldt). Prof. Dr. Tenorth, Humboldt Universität Berlin, interpretiert den berühmten Satz von Immanuel Kant: „Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange“ auf dem Hintergrund der legendären Bildungsreform der Jahre nach 1807. Es ist merkwürdig, dass es für das Wort „Bildung“ in anderen Sprachen kaum eine Entsprechung gibt.

Erstausstrahlung am 27.05.2013

Die Hüter königlicher Bücher

Ursprünglich war die Philologie dazu da, heilige Texte zu bewahren und von Irrtum zu reinigen. In der Moderne wurde sie zur SCHLÜSSELWISSENSCHAFT. Sie entwickelte die Schule der Skepsis und sie ist HÜTERIN DES SINNS GROSSER WERKE. Sie gehört als VIERTE zu den poetischen Künsten. Dr. Thomas Steinfeld, Leitender Redakteur der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, berichtet.

Erstausstrahlung am 04.01.2004

Der Lehrer als Soldat des Friedens

Vier Jahre lang waren die deutschen Lehrer im Krieg eingesetzt. Sie hatten die Erfahrung gemacht, wie ihre besten Schüler und Studenten verwundet und erschossen wurden. Alles dies aufgrund einer nachträglich schwer zu verstehenden politischen und kriegerischen Katastrophe. In der Debatte darüber, wie das Bildungssystem auf den Krieg antworten sollte, zerstritten sich die Geister. In der Reichsschulkonferenz im Juni 1920 sieht man Reformer an der Arbeit, aber auch Konservative an der Bremse. Es geht dem Reformflügel um mehr Gerechtigkeit, einen freieren Zugang zur Schule. In der Weimarer Republik entwickelt sich eine dynamische Erwachsenenbildung. Zugleich gelingt es erst spät, den Streit zwischen konfessioneller Schulbildung und staatlichem Schulwesen in ein Gleichgewicht zu bringen: Fortschritt und Retardierung. Im Krieg waren die Lehrer für falsche Ziele eingesetzt. Finden sie jetzt ihren Platz in der neuen Republik als Soldaten des Friedens? Der Bildungsforscher Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth, Humboldt-Universität Berlin, berichtet.

Erstausstrahlung am 26.08.2013

Was hilft mir mein Bauchgefühl?

Der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal war als Rationalist Erfinder der Wahrscheinlichkeitstheorie. Zugleich aber stammt von ihm der Satz: „Das Herz hat einen Verstand, den der Verstand selbst nicht versteht“. Die Gleichgewichte zwischen Ratio und Intuition sind das Forschungsthema von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Wann ist es richtig, dass ich meinem Bauchgefühl vertraue? Wann ist es notwendig, dass ich allein den Kopf gebrauche? Begegnung mit Gerd Gigerenzer aus Anlass seines neuen Buchs „Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition“.

Erstausstrahlung am 27.10.2008

Was heißt lernen?

Prof. Dr. Klaus Obermayer leitet eine Arbeitsgruppe an der Technischen Universität Berlin, die an der Nahtstelle von Biologie und Physik die Zukunft maschineller und menschlicher Intelligenz erforscht. Computer rechnen, Menschen lernen. Was bedeutet dieser Unterschied für die Architektur des Verstehens? Was bedeutet dieser Unterschied für die Evolution der Computer und die der Menschen?

Erstausstrahlung am 01.12.2008

Schule im Problembezirk

Im 12. Arrondissement im Südosten von Paris kämpfen die Lehrer einer Schule an der Bildungsfront, Jahr für Jahr. In jedem Augenblick fällt in der Auseinandersetzung mit den Schülern eine Entscheidung. Für seinen ungewöhnlich realistischen Film ENTRE LES MURS erhielt der Regisseur Laurent Cantet und sein ausgezeichnetes Team den höchsten Preis des Festivals von Cannes: die Goldene Palme.

Erstausstrahlung am 16.02.2009

Die Entstehung des Experten

Gleich die ersten Universitätsgründungen bringen den Typ des europäischen Gelehrten hervor. Das besondere Interesse des Historikers Prof. Dr. Rexroth gilt der Transformation dieses Gelehrten (anfangs der mächtigen Theologen und Juristen) zum modernen Experten. Was begründet das Vertrauen in die Experten? Was führt heute zur Vertrauenskrise gegenüber den Sachverständigen? Warum ist der Beruf des Sachverständigen unabdingbar? Prof. Dr. Frank Rexroth (Universität Göttingen) berichtet. In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Erstausstrahlung am 31.08.2009

Die Reform geht mir nicht weit genug!

In der Öffentlichkeit wird diskutiert, ob man ganz oder teilweise zur alten Rechtschreibung, festgelegt im Duden von 1991, zurückkehren oder auf der Rechtschreibreform beharren soll. Dies greift zu kurz. Der Rechtschreib-Experte Fritz Kleiber behauptet: Die Rechtschreibreform geht noch längst nicht weit genug. Mehr Freiheit für die Konsonanten! Gleiches Recht für zu wenig genutzte Buchstaben wie X, Y und Z. Peter Berling als Oberstudiendirektor Fritz Kleiber.

Erstausstrahlung am 20.09.2004

Elefanten als Lerntiere

Im Züricher Zoo gilt der Elefantenpfleger Ruedi Tanner innerhalb der Elefantenherde als „Oberste Tante“. Er berichtet von der Geburt des Elefantenkalbes Upali, vom Erlernen guter Eigenschaften und von schlechten Eigenschaften, die Elefanten nur in Gefangenschaft lernen, von den Sitten des Elefantenbullen Max und vieles andere.

Erstausstrahlung am 18.08.1996

Schneller, billiger und out-of-control

Rodney Brooks ist freier Unternehmer und zugleich Direktor des ARTIFICIAL LIFE LABORATORIUM am Massachusetts Institute of Technology. Er entwickelt Roboter, die autonom auf fernen Planeten, tief unter der Erde in Ölbohrlöchern und auch als Spielzeug operieren können. Sein tüchtigster Roboter heißt „Chingis“ und arbeitet „ohne Kopf“. Wie vermeiden es Menschen, fragt Rodney Brooks, dass sie digitale Chauvinisten werden? Sie können es nur lernen, wenn sie die Autonomie der roboterischen Intelligenz achten. Sie bringt auch Einfälle.

Erstausstrahlung am 09.12.2002

DNA-Computer

Silicon-Computer müssten zwei Jahrhunderte rechnen, um ein Problem zu lösen, das ein DNA-Computer in 24 Stunden durchrechnen wird. Einer der Pioniere dieser revolutionären Informationstechnologie ist Gregorz Rozenberg. Rechnen, sagt er, lernen wir vom Kosmos, von den Zellen und von den genialen Wimperntierchen, die zwei winzige Zellkerne besitzen. Einer dieser Zellkerne weiß sich über 3,5 Milliarden Jahre zu erinnern und rechnet andauernd.

Erstausstrahlung am 19.08.2002

Das Lernen lernen!

Krise in Hessen! Die Antworten des engagierten Pädagogen Dr. Karl Wolff klingen gereizt. Auf das Fach Geschichte wird keine hinreichende Rücksicht genommen! Das 9. Gymnasialjahr fehlt! Nicht einmal für den Stoff des Jahres 1099 (Erster Kreuzzug) ist Zeit. Wie soll man da das Lernen lernen! Peter Berling als Oberschulrat.

Erstausstrahlung am 11.08.2008

COOL DEF DANCE

Eine junge Tänzerin mit Namen Aziza hat in dem Stadtteil Harlem in N.Y. einen Tanzschulen-Workshop errichtet, in dem Behinderte und Taubstumme durch die Bodenerschütterung, die die Musik auslöst, tanzen lernen. Ihre Lieblingstänze sind Rap, d.h. mit Sprechen verbunden. Sie nehmen dafür die Gebärdensprache zu Hilfe. Im Vorjahr erhielt dieser Grass-Root-Workshop für sein soziales Engagement einen der berühmten Awards des UNION SQUARE FUND, der mit dem FUND FOR THE CITY OF N.Y. zusammenarbeitet.

Erstausstrahlung am 08.04.2002

„Hallo, hier ist das Krokodil!“

In der Zeit des Umbruchs nach 1917 in Russland richtete sich die Hoffnung auf die neue Generation der Kinder. Es erwies sich als schwer, die Erwachsenen in ihrer Masse für die neue Zeit zu gewinnen. Sie waren in der alten Zeit groß geworden, im Bürgerkrieg oft entwurzelt, viele waren Analphabeten. So glaubte man, den neuen Menschen von Grund auf bei den Kindern heranbilden zu können. „Von dem, was Künste und Poetik geben können, ist das Beste gut genug für die Kinder!“ Es entstand eine „revolutionäre Schatzkammer von Kinderbüchern“. Künstler und Poeten wie Daniil Charms, Majakowki, El Lisitzky, Tatlin, Marschak und Ossip Mandelstam schufen Kinderbücher oder beteiligten sich daran. Die Tradition russischer Kinderbücher hat Verbindung zu angelsächsischen Quellen wie „Mother Goose annotated“. Eines der beliebtesten Kindergedichte heißt „Telefon“ und stammt von der Leitfigur russischer Kinderliteratur Kornei Tschukowski. Ein Genosse schläft. Neben seinem Bett, sehr modern und elektrifiziert, steht das Telefon. Es ruft an: der Elefant aus Afrika. Gleich der nächste Anruf kommt vom Krokodil: „Ja, das vom Nil“. Das geht über panikanfällige Gazellen, über Affen („Ihr schickt uns Taschentücher, wir wollen Bücher, wir haben nichts zu lesen!“) bis zu einem traurigen Bären („Da telefonierte der Bär. Warum bist du so traurig, mein lieber Bär? Da sagte er gar nichts mehr / Er war zu bewegt / Und hat aufgelegt“). Die Slawistin Dr. Marinelli-König, Akademie der Wissenschaften Wien, über Kinderbücher in der russischen Revolutionsära von 1920 bis 1930.

Erstausstrahlung am 03.02.2016

Die Weisheit baut sich ein Haus

Bibliotheken sind Speicher des Wissens, sie existieren seit der Antike. Die Bibliothek von Alexandria war berühmt für die Vollständigkeit ihrer Bestände. Die Geschichte der modernen Zivilisationen dokumentiert sich in der Geschichte der Bibliotheken und ihrer Bauweise. Prof. Dr.-Ing. Winfried Nerdinger, Direktor des Architekturmuseums der TU München, berichtet.

Erstausstrahlung am 29.04.2012

Freiheitsidee und Wissenschaft

Auf die Niederlage Preußens gegenüber Napoleon antwortete der geschundene Staat Friedrich des Großen mit stürmischen Reformen: der Städtefreiheit und einer Bildungsreform, die den Freiheitsbegriff vor allem in der Wissenschaft realisierte. Von 1808 bis 1810 wird die Humboldt-Universität in Berlin als neues Modell gegründet. Ein ungewöhnliches politisches Temperament, Wilhelm von Humboldt, entwickelt eine Art von „Gartenanlage des Wissens“, deren Ideale noch heute an den Eliteuniversitäten der U.S.A. praktiziert werden, während in Europa diese Richtung wissenschaftlicher Qualität eher bedroht erscheint. Für die Wirksamkeit der Reformen von 1810 und Wilhelm von Humboldts scharfen Blick spricht, dass an der Spitze auch der „bloß verwalteten Universität“ sich immer wieder die Freiheitsidee und damit Humboldts Vorstellung von lebendiger Wissenschaft durchsetzt. Der Universitätslehrer für Banken-, Markt- und Gesellschaftsrecht an der Humboldt-Universität, Prof. Dr. Stefan Grundmann, berichtet.

Erstausstrahlung am 24.01.2011

Orientierung in unsicherer Welt

Risiko ist keineswegs dasselbe wie Unsicherheit. Zu Risiken kann ich eine Abwägung treffen. Unsicherheit bedeutet, dass ich etwas überhaupt nicht wissen kann. Die moderne Welt ist voller solcher Unsicherheiten. Wie kann man sich orientieren? Dies sind Fragen, die sich auch an das Bildungssystem richten. Der klassische Charakter der Intelligenz, auf den unsere Bildungssysteme ausgerichtet sind, wird nicht dafür ausgebildet, schnelle und treffsichere Entscheidungen zu fällen. Gegenüber einer Inflation von Eindrücken und massiver Unsicherheit ist es notwendig, sich auf den wesentlichen Punkt zu konzentrieren und alles andere zu ignorieren. Diese „Kunst des Ignorierens“ will gelernt sein. Tausenderlei Wissen hilft wenig. Es kommt heute, sagt Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, auf gute Intuition und Heuristik („die Kunst, mit begrenztem Wissen und wenig Zeit zu guten Lösungen zu kommen“) an. Ärzte, Richter und jeder Staatsbürger stoßen mitten im Leben auf die Notwendigkeit, sich in dieser Hinsicht neu zu orientieren und den Bildungsprozess zu ergänzen, der aus ihrer Jugendzeit kommt und nicht mehr genügt: Das ist die Stunde der Erwachsenenbildung. Prof. Dr. Gerd Gigerenzer ist Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Er ist Herausgeber und Autor des Standardwerks „Heuristics“. Es geht um Orientierung in einer Welt der Unsicherheit.

Erstausstrahlung am 24.02.2013

Tasten, Kleben, Kneten

Zu den ältesten Sinnen in der Evolution gehört der Tastsinn. Aber auch auf jede andere sinnliche Kraft in uns gründet sich ein Ausdrucksvermögen. In den Worten steckt Sinnlichkeit. Die Wissenschaft der Semiotik, die die Regeln verfolgt, in der die Worte funktionieren, entdeckt in unserer Sprache die gesamte Vorgeschichte der menschlichen Natur. Dabei verhält sich die Sinnlichkeit der Worte vorwiegend konservativ. Im Einzelnen aber ist sie neuerungssüchtig. Konservativ ist sie insofern, als es 100 Jahre und mehr dauert, bis sich eine neue Erfahrung in Worten festmacht. So weiß heute keiner mehr, dass in dem modernen Wort „hecheln“, die Erfahrung aus der Verarbeitung von Flachs steckt, die kaum einer mehr kennt. Prof. Dr. Dagmar Schmauks, Technische Universität Berlin, über die Sinnlichkeit der Worte.

Erstausstrahlung am 12.09.2016

Die Wurzeln von Musik und Emotion

Einer Gruppe von Pygmäen im Kongo und einer Gruppe von Kanadiern wurde jeweils eigene Musik und Musik der anderen Seite vorgeführt. Es gibt, sagen die Ethnologen und Musikwissenschaftler an der TU Berlin, welche die Untersuchung durchführten, verblüffend starke Gemeinsamkeiten in der Reaktion über Kontinente und Verschiedenheit der Kulturen hinweg. Erst auf diese gemeinsamen emotionalen Wurzeln setzen sich die Besonderheiten bei der Rezeption der Musik. Allerdings fühlen sich die Jäger im Kongo, für die die Musik böse Geister vertreibt und glückbringende herbeiholt, durch melancholische Westmusik nicht angezogen. Sie nutzen Musik nicht zur Trauer. Denn nur fröhliche Musik vertreibt böse Geister. Der Musikwissenschaftler, Dr. Hauke Egermann, Mitglied der Forschungsgruppe an der TU Berlin, berichtet.

Erstausstrahlung am 10.10.2016

Im Wartesaal des Lebens

Man wartet beim Arzt, im Stau, in Notzeiten in der Warteschlange vor Läden, auf Liebesglück, auf das Jüngste Gericht oder auf die Ankunft eines Retters. Es existieren 1.000 Facetten der Lebenserfahrung, die man Warten nennt. Der Dichter Dostojewsky behauptet: „Alles nimmt ein gutes Ende, für den, der warten kann!“. Manche Literaten feiern die „Kunst des Wartens“. Der russische General Kutusow, der klug auf den russischen Winter wartete, konnte durch seine Geduld den eiligen Napoleon besiegen. Generell gilt: für Flüchtlinge, für Machtlose, für Arme ist das Warten bitter. Frauen müssen anders warten als Männer. Starb in früheren Gesellschaften der Mann, musste die Witwe längere Trauerzeit verwarten als es für die Männer üblich war, wenn die Frauen starben. Warten ist ungleich. Die Autorin Friederike Gräff hat dieses Warten gründlich studiert. Ihre Publikation ist reich an konkreter Erfahrung.

Erstausstrahlung am 08.04.2015

Schatzkiste Sprache

Es gibt etwa 6.000 Sprachen auf der Erde. Einige gehören zu großen Sprachfamilien und deren Verzweigungen. Andere sind einzigartig und erscheinen wie Inseln. Alle Sprachen aber, unabhängig vom historischen Entwicklungsstand ihrer Sprecher, besitzen eine vergleichbare Komplexität. Der Reichtum einer Sprache kann im Wortschatz liegen, in der Grammatik oder in der Phonetik. Es gibt Sprachen, die eine uns Europäern völlig unbekannte Verschiedenheit von Lauten besitzen. Das „Alphabet“ einer Sprache kann aus 160 Konsonanten bestehen, ungerechnet die Vokale. In anderen Sprachen ist die grammatische Flexibilität besonders entfaltet. So gibt es im Griechischen der Antike den Modus des Optativs, der Wunschform, den wir im heutigen Europa nur umschreiben könnten: eine Grammatik der Utopie. Und im Baskischen gibt es für den Modus der Arbeit den ERGATIV, eine eigene grammatische Form, in der der Sprecher seine übrigen Tätigkeiten von der ernsten Arbeit absetzt. Die meisten Sprachen auf engstem Raum existieren in den abgeschotteten Tälern von Neu-Guinea: über 1.000. Die meisten Sprachen auf weitem Raum findet man auf dem afrikanischen Kontinent. Die menschliche Sprache entstand ursprünglich in Afrika. Wenig bekannt ist, dass die meisten Afrikaner dreisprachig leben: sie sprechen ihren Heimatdialekt, eine der afrikanischen Verkehrssprachen wie Suaheli und die Kolonialsprache. Was die Kolonialsprache betrifft, kann man für Westafrika von Latein-Afrika sprechen. Um den letzten Sprecher einer aussterbenden Sprache, manchmal sind das drei oder auch nur eine Person, versammeln sich Sprachscouts von den besten Universitäten der Welt. Sie suchen den verwehenden Schatz noch rechtzeitig zu bergen. Permanent entstehen auch neue Sprachen. Nach Isolierung von einer ursprünglichen Sprachgemeinschaft braucht es etwa 500 Jahre, dass eine neue Sprache sich abgrenzt und stabilisiert. Die zwei Bände, die der Mathematiker und Sprachforscher Prof. Dr. Ernst Kausen den Sprachfamilien der Welt gewidmet hat, sind gemeinsam so dick wie vier Backsteine. Kausen sammelt den Reichtum der Sprachen wie die Brüder Grimm Märchen sammelten.

Erstausstrahlung am 21.02.2017

Sprache als Geld des Geistes

Es gibt Sprachen von hoher Komplexität und Ausdruckskraft, wie z.B. das klassische Chinesisch. Es gibt auch vereinfachte Kunstsprachen, wie Esperanto. Auf der Erde werden einige tausend verschiedene Sprachen gesprochen. Sprachen sind, sagt der Sinologe und Computerforscher Hartmut Pilch, eine „Gedankenwährung“. Wie jede Währung sind sie durch Inflation, Bankrott und Falschgeld bedroht. Sie können aber auch Booms erleben.

Erstausstrahlung am 21.08.1995

Was heißt Bildung?

Wolfgang Edelstein, 1929 in Freiburg im Breisgau geboren. Durch seinen Vater, einem der Begründer der Musikkultur Islands, aus dem Dritten Reich auf diese nördliche Insel gerettet. Nach dem Krieg zurückgekehrt nach Frankreich. Aus Gewohnheit Lateiner. Studienleiter an der Odenwaldschule, dem Zentrum für Bildungsreform in der BRD, später Mitbegründer und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: Prof. Dr. Wolfgang Edelstein. Er schrieb eine Monographie über den Bildungsberater Karls des Großen, den Engländer Alkuin und dessen BILDUNGSKAPITULARIEN. Als Entwicklungspsychologe stand er an der Spitze der Debatte um die Bildungsreform in Deutschland und war mitverantwortlich für die durchgeführte Bildungsreform in Island. Was ist der Inhalt und die Aura des klassischen Begriffs der BILDUNG? Hat sie ihre Wurzel in der Selbstregulation der Menschen oder steht sie als Unterricht den Heranzubildenden gegenüber? Was heißt Bildung als Prozess? Und was kann man mit den Methoden von Bologna und Pisa prüfen? Begegnung mit dem Bildungsforscher Wolfgang Edelstein.

Erstausstrahlung am 08.11.2010

Kindheit und Lernen

Der Hochschullehrer und Autor Oskar Negt schrieb zu Beginn der Protestbewegung das bahnbrechende Buch „Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen“. Sein neuestes Buch heißt: „Kindheit und Lernen in einer Welt des Umbruchs. Plädoyer für einen neuen Generationenvertrag“. Oskar Negt zum 60. Geburtstag.

Erstausstrahlung am 01.08.1994

„Lernen ist der Gegenpol für Krieg“

Der Krieg tritt auf „neuausgerüstet in seinen ältesten Gewändern“, so nennt es der Theoretiker Paul Virilio in Paris. Der einige bekannte Gegenpol zum Krieg heißt nicht Frieden, sondern: lernen. Dieses Lernen läuft in unseren modernen Gesellschaften im Arme – Sünder – Gewand umher. Der Designer Mirco Baumm hat den Auftrag, einen Kongress auszugestalten. Es geht um die Hochrüstung des Lerners. Die Stickworte des Kongresses heißen: Innovation, Drama und Ritual. „Iß nie mehr als du tragen kannst“, sagt Miss Piggie. „Was bleibt, ist nicht“. Ein ungewöhnlicher Kommentar zur Bildungsreform.

Erstausstrahlung am 05.07.1993

Wer ist für meine Information zuständig?

Medienkoordination der Bundesländer ist der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Kurt Beck. Neuer Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ist Staatssekretär Uwe-Karten Heye. Es geht um die Öffentlichkeit der Berliner Republik. Die Informations- und Kommunikationssysteme sind durch Medienmacht bedroht. Wie wird sich Ende unseres Jahrhunderts ein angemessener Stil der öffentlichen Information für die Berliner Republik herstellen lassen? Zwei, für Öffentlichkeit besonders zuständige, politische Praktiker berichten.

Erstausstrahlung am 03.01.1999