Episode: Ökonomie als fröhliche Wissenschaft

Der Philosoph Baruch Spinoza (1632-1677) ist jung gestorben. Sein letztes Buch TRACTATUS POLITICUS hat er nicht vollendet. In seiner ETHIK handelt er nicht von Moral, sondern von den „menschlichen Wesenskräften“, den selbstbewussten, lustvollen Beweggründen im Gegensatz zu den traurigen Leidenschaften, die dem Gemeinwesen und den Menschen nichts helfen. Gerade wenn wir erkennen, dass wir von unserer Gier und von außen fremdbestimmt sind, also von Natur keinen freien Willen haben, sind wir Menschen fähig, unsere Freiheit zu realisieren. Die Gedanken dieses Philosophen sind kühn und modern, über Friedrich Nietzsche (er schrieb die „Fröhliche Wissenschaft“) hinausgehend. Sie sind, sagt der französische Ökonom Frédéric Lordon, für unsere Fragen des 21. Jahrhunderts brennend aktuell. Man sollte, sagt Lordon, Marx und die Finanzkrise mit den Augen Spinozas neu lesen. Frédéric Lordon gilt als einer der bedeutendsten Ökonomen Frankreichs. Die Hypothekenkrise in den U.S.A. hat er als Erster vorausgesagt. Er kritisiert in seinen viel beachteten Schriften, dass die Finanzmärkte heute die Regierungen und die Menschen quasi in Geiselhaft nehmen. Wenn man hier ein Gleichgewicht wiederherstellen will, kann sich dieses nur auf die Autonomie und das Selbstbewusstsein von Menschen gründen. Dazu gehört die fröhliche und spontane Selbstbehauptung, die ein Erbe der menschlichen Evolution ist und von der Spinoza handelt. Spinoza, ein geistiges Fernrohr und Mikroskop, das über 400 Jahre hinweg präzise funktioniert. Begegnung mit Frédéric Lordon in Paris.

Erstausstrahlung am 20.10.2013