Podcast: Philosophie des Geldes

Kaufen und Verkaufen

Ursprünglich waren Börsen ein Treffpunkt von Kaufleuten. Später wurden sie zu Zentren des Weltpapierhandels. Heute bilden sie auf unserem Planeten die Schaltstelle aller Geldwerte und Waren. Im Zeitalter der Globalisierung sind sie das rascheste Kommunikationssystem der “Weltöffentlichkeit”. Dr. Christoph Boschan, Börsenpraktiker und Autor eines bekannten Fachbuchs über den Wertpapierhandel und Börsenpraktiker, berichtet.

Störung als Motor der Organisation

Organisation antwortet auf Störung. Führung und Management in der Moderne, sagt der Soziologe Dirk Baecker, ist nichts anderes als die “geordnete Störung einer Organisation”. Ohne solche Störungen (die entweder von außen oder von innen, von oben oder von unten kommen) wird die Organisation schläfrig und stumpf. Die Zeit des heroischen Managements und der heroischen Unternehmensführung ist vorbei. Prof. Dr. Dirk Baecker, Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, über paradoxe und überraschende Besonderheiten im POSTHEROISCHEN MANAGEMENT.

Der Angriff der Zukunft auf die Gegenwart

Die große Finanzkrise wird vielfach mit dem Crash von 1929 verglichen. Näher liegt der Vergleich z. B. des Zusammenbruchs der Bank Bear Stearns oder Lehman Brothers mit der Havarie der Kernkraftwerke Tschernobyl oder Harrisburg. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen Risiken, die durch Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Mathematik des Grenzwertsatzes näher bestimmt werden können und purem NICHTWISSEN, das mit keinerlei mathematischen Formeln oder geschäftlichen Tricks ausgeglichen werden kann. Die tiefere Ursache der Finanzkrise, sagt der Soziologe Dr. Arnoldi, liegt im System der Ausgrenzung, des sog. “framing”. In überkomplexen Technologien müssen Teile der Realität unbeachtet bleiben, damit überhaupt gehandelt werden kann. Was aber dabei ausgegrenzt wird, unterliegt bisher keiner hinreichenden Aufmerksamkeit. Die Forschungen von Niklas Luhmann (Kritische Systemtheorie) und Ulrich Beck (Risikotheorie) sind hier grundlegend. Der Soziologe Jakob Arnoldi, Vize-Dekan für Forschung an der Aarhus University in Dänemark, berichtet.

Buchführung der Seele

Fundamentalistische, archaische Religionen verbreiten sich nach einer Art Volkszählung. Sie zählen die Guten und organisieren sie gegen die Bösen. Auch der Kapitalismus, heißt es in einem Fragment von Walter Benjamin, ist eine solche Religion. Sie zählt die Welt nach SOLL und HABEN. Der Soziologe Dirk Baecker berichtet.

Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert

Seit kurzem erhält man Cent-Stücke des Euro von den Zentralbanken nur noch auf besonderen Versteigerungen, gegen Aufpreis und in Mengen von über 300.000 Euro im Container. Die Produktion eines 1-Cent-Stückes kostet 3 Cent und ist somit teurer als der Nennwert. Die Schuldenberg-Ökonomie untergräbt die Achtung vor dem “Pfennig”, der doch das Geld des armen Mannes bleibt. Es ist interessant zu beobachten, dass jede Kultur, jede der verschiedenen Nationen Europas traditionell eine verschiedene Haltung zum Kleingeld hat. Der mangelnde Respekt vor den kleinen Münzen schafft im Bewusstsein und in der wirtschaftlichen Praxis ein großes Problem. Der Professor für Politische Ökonomie Dr. Birger P. Priddat, Zeppelin-Universität Friedrichshafen, berichtet.

Kapitalismus als Religion

Ein Fragment des großen Philosophen Walter Benjamin hat den Titel KAPITALISMUS ALS RELIGION. Die Skizze umfasst wenige Seiten, war aber das Parallelprojekt gegenüber dem über mehrtausendseitigen Werk Benjamins, dem “Passagen-Werk”. Sind wir westlichen Menschen ebenfalls Fundamentalisten, bemerken es nur nicht? Steckt unser religiöser Glauben im Auf und Ab der Börsen, der Art, wie wir Fremdes ausgrenzen und in unseren kulturellen Begriffen? Dirk Baecker, Soziologe an der Universität Witten-Herdecke, über den Ökonomen Adam Smith, die Lehre von der “Unsichtbaren Hand” und vor allem über Walter Benjamins KAPITALISMUS ALS RELIGION.

Der blinde Fleck in der Intelligenz der Banken

Wie verhalten sich intelligente Akteure in einem Labyrinth? Wie handeln Banken in der Krise? Auf was kann man sich verlassen? Der Sturz von Lehman Brothers und die Kollateralschäden, die die Bankenkrise auslöste, bilden eine Herausforderung an sämtliche traditionellen Lehrmeinungen in der Ökonomie und in der Soziologie. Dirk Baecker, Soziologe an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, über die Frage: Worauf kann man vertrauen? Worauf kann man auf keinen Fall vertrauen?

Erklären Erfahrungssätze der Theoretischen Physik Einzelheiten der Finanzkrise?

Die Statistik sucht aus großen Zahlen von Ereignissen Durchschnitte zu ermitteln. Solche Durchschnitte entstehen, wie die Theoretische Physik und die Biophysik wissen, aus Extremen, die sich erst in der Gesamtrechnung zu einem Durchschnitt verbinden. Den sogenannten Durchschnitt gibt es in der Realität fast nirgends. Die Tücke der Statistik liegt darin, dass die Katastrophen und Lawineneffekte deshalb so überraschend hereinbrechen, weil sie Folgen der im Mittelwert verschleierten unvereinbaren Gegensätze sind. Über solche Fragen besitzt die Theoretische Physik fundierte Erfahrungssätze, die für die Analyse von Finanzkrisen unmittelbare Bedeutung haben. Sie haben dies auch für Epidemien, die überraschende Knotenbildung in Netzwerken und zahlreiche andere soziale Phänomene. Prof. Dr. Bornholdt, theoretischer Physiker und Biophysiker an der Universität Bremen, berichtet.

Die Sprache des Geldes

Deutschland ist in der Welt das einzige Land, das im selben Jahrhundert zwei Hyperinflationen erlebt hat. Jede Kultur, jede Nation hat ihre eigenen Erlebnisse mit dem Geld. Die Sprache des Geldes ist vielfältig. Geldscheine des Sieben-Strom-Landes hatten zu ihrer Deckung in der Staatsbank hinterlegtes Opium. Aufstieg und Niedergang der Leitwährungen, wie z.B. des Pfundes oder des Dollars sind dramatisch. Der ECU hat eine lange Vorgeschichte.

Ökonomie als fröhliche Wissenschaft

Der Philosoph Baruch Spinoza (1632-1677) ist jung gestorben. Sein letztes Buch TRACTATUS POLITICUS hat er nicht vollendet. In seiner ETHIK handelt er nicht von Moral, sondern von den „menschlichen Wesenskräften“, den selbstbewussten, lustvollen Beweggründen im Gegensatz zu den traurigen Leidenschaften, die dem Gemeinwesen und den Menschen nichts helfen. Gerade wenn wir erkennen, daß wir von unserer Gier und von außen fremdbestimmt sind, also von Natur keinen freien Willen haben, sind wir Menschen fähig, unsere Freiheit zu realisieren. Die Gedanken dieses Philosophen sind kühn und modern, über Friedrich Nietzsche (er schrieb die „Fröhliche Wissenschaft“) hinausgehend. Sie sind, sagt der französische Ökonom Frédéric Lordon, für unsere Fragen des 21. Jahrhunderts brennend aktuell. Man sollte, sagt Lordon, Marx und die Finanzkrise mit den Augen Spinozas neu lesen.

Frédéric Lordon gilt als einer der bedeutendsten Ökonomen Frankreichs. Die Hypothekenkrise in den U.S.A. hat er als Erster vorausgesagt. Er kritisiert in seinen vielbeachteten Schriften, daß die Finanzmärkte heute die Regierungen und die Menschen quasi in Geiselhaft nehmen. Wenn man hier ein Gleichgewicht wiederherstellen will, kann sich dieses nur auf die Autonomie und das Selbstbewusstsein von Menschen gründen. Dazu gehört die fröhliche und spontane Selbstbehauptung, die ein Erbe der menschlichen Evolution ist und von der Spinoza handelt. Spinoza, ein geistiges Fernrohr und Mikroskop, das über 400 Jahre hinweg präzise funktioniert.

Begegnung mit Frédéric Lordon in Paris.

Eine Grüne des freien Marktes

Wirtschaftsdepressionen und Aufschwünge in den USA und Europa sind das Spezialgebiet von Amity Shlaes, einer Kolumnistin der FINANCIAL TIMES. Sie spricht von den Börsen und den Marktpreisen wie von lebendigen Intelligenzen. Die Ökonomin, die Adam Smith und Joseph A. Schumpeter zu ihren Vorbildern zählt, bezeichnet sich als “Grüne der freien Marktwirtschaft”. Sie hält jede staatliche Beeinflussung der Preise oder der Börse für kontraproduktiv. Sie wacht über der “Ökologie der freien Wirtschaft”. Begegnung mit Amity Shlaes.

Kapitalismus ist keine Einbahnstraße

Hilmar Kopper, geboren 1935, war Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank und im Anschluss daran Vorsitzender von deren Aufsichtsrat. Die Abschnitte seines Lebens liegen in Zeiten, die sich rasch verändern. Wie beurteilt er aufgrund seiner Erfahrung die Finanzkrise, die wir heute erleben? Was ist der Kern des Bankgeschäfts? Was ist daran in Veränderung begriffen? Oder gelten die alten Tugenden? Was ist an dem Absturz von 1929 und der heutigen Krise verschieden? Der Bankier Hilmar Kopper berichtet.