Show: Japan

Ich bin der Mann des grotesken Realismus

Als er 1994 aus Stockholm den Anruf erhielt, ob er den Nobelpreis annehme, war sein hirngeschädigter Sohn am Telefon und antwortete: Nein, danke. In dem Buch, an dem er gerade schreibt, geht es um einen Sektenführer in Japan (ein Sektenführer war für die U-Bahn Giftattentate verantwortlich). Er erkannte sich in einem anderen Menschen wieder und es ist nicht sicher, ob die verschiedenen Individualisten, sagt Kenzaburō Ōe, nicht durch unterirdische Flüsse miteinander verbunden sind. Verknüpft ist auch die Realität mit dem Antirealismus des Gefühls. Ich könnte, sagt Ōe, vor Verzweiflung oder vor Lachen sterben. In seiner Erzählung DER STOLZ DER TOTEN (man kann auch übersetzen: “Schamlosigkeit, Üppigkeit, Luxus, Macht der Toten”, die japanischen Schriftzeichen sind vieldeutig) geht es um einen Studenten und eine Studentin, die in der Anatomie Leichen in verschiedene Becken sortieren. Der “groteske Realismus”, für den Ōe ausdrücklich den Nobelpreis erhielt, kommt zustande, weil Ōe die Risse im Gebälk der Wirklichkeit niemals zukittet. Mao Zedong und Sartre hat Ōe persönlich gekannt. Ein Gespräch von ungewöhnlichem Unterhaltungswert.

Megastars der Liebeskunst

Oiran heißen die gebildeten und schönen Kurtisanen in Edo, der Hauptstadt der japanischen Shogune; die Stadt heißt heute Tokio. Männer mussten um diese Frauen lange werben, sie waren einerseits käuflich, hatten aber eine Würde, die unverkäuflich blieb. In ihrem Spielfilm “Sakuran” beschreibt die Filmemacherin und Künstlerin Mika Ninagawa das Leben einer jungen Prostituierten, die sich als Mega-Star an die Spitze der Oiran setzt. Am Ende versucht sie mit einem Gefährten dem Vergnügungs-Getto zu entfliehen. Auf einem solchen Versuch steht die Todesstrafe. Mika Ninagawa über ihren auf den internationalen Festivals viel beachteten Film “Sakuran”.

Der Tod von Admiral Yamamoto

Admiral Yamamoto gilt im kriegerischen Japan von 1941 als Nationalheld. Der amerikanische Kriegsminister Knox setzte alle Spionagehebel in Bewegung, um eine Gelegenheit zu finden, diesen Befehlshaber der modernen japanischen Flotte umzubringen. Bei einem Flug legten amerikanische Jagdflugzeuge dem Admiral einen Hinterhalt. Die Totenfeier auf dem Gelände des Kaiserlichen Palastes markiert den Höhepunkt des japanischen Krieges in Asien und im Pazifik. Nagisa Oshima, der berühmte japanische Spielfilmregisseur, hat in seiner Dokumentation “Daitoa senso” (“Der große Ostasien-Krieg”) Yamamoto ein Denkmal gesetzt. Er berichtet.

Ungleichzeitigkeit, Gegensinn und Allgegenwart

Prof. Dr. Peter Pörtner gehört zu den führenden Japanologen in der Bundesrepublik. Er interpretiert japanische Begriffe und Ausdrücke, die in Europa ohne solche Einordnung nicht verstanden werden.

Ordnung und Zerstörung

Das Ballett von Saburo Teshigawara ist berühmt. In dem vorliegenden Tanzprojekt tragen die Tänzer Schuhe aus Eisen. In die Sohle eingebaut finden sich Mikrofone. Dies erzeugt den unverwechselbaren Ton, der an Eisen und Schwerkraft erinnert.

Vom Samurai zum Business-Krieger

Im japanischen Mittelalter bis zum Jahr 1850 bestand die Kriegerkaste der Samurai. Berühmt ist die Geschichte des “letzten Samurai”, die Geschichte von “Toda-San”, der mit der Würde einer 1000jährigen Tradition in einem japanischen Handelshaus endet.

Japan, sagt der Japankenner und Sozialforscher, Dr. Joachim Kersten, besitzt Traditionen einer ungebremsten, aggressiven Männlichkeit. Zugleich hat diese Land Formen der Beherrschung dieser Aggressionen entwickelt, wie sie in keinem westlichen Land bekannt sind. Hier gibt es eine unbewusste Fortsetzung von Tugenden des Samurai im heutigen Business-Krieger. Der Tod durch Überarbeitung tritt an die Stelle des klassischen Sepukku.

Die Verschwörung der 47 Getreuen

Das beliebteste Drama im Kabuki-Theater geht zurück auf die Legende von den 47 Ronin. Diese Samurai verschwören sich, den Tod ihres Herrn an dem korrupten Zeremonienmeister Kira zu rächen. Sie tarnen sich jahrelang, indem sie alle Attribute ihres tatsächlichen Standes ablegen. Sie betrinken sich, verkuppeln ihre Frauen, lassen sich beleidigen, die Schwerter verrosten. Wie weit kann ein Mensch sich verwandeln, wenn es um ein Ziel geht? Als niemand die 47 Getreuen noch für ernst nahm und die Spione des Kira längst abgewinkt haben, kommen die Kämpfer in die Hauptstadt und bringen den Todfeind um. Danach begehen sie Harakiri. Das letzte, was der japanische Kaiser vor Japans Kapitulation von 1945 besucht, ist das Grab dieser verehrungswürdigen Helden.

Der Japanforscher Prof. Dr. Joachim Kersten berichtet von dieser Heldensage und den darauf gegründeten Theaterdramen und setzt sie in Bezug zu der keltischen Heldensage vom Schmied Wieland. Dieser Arbeiter wird betrogen und durch den korrupten König gelähmt. Er rächt sich bitter, entwickelt wie Daedalus Flügel, schwängert die Tochter des Königs und flieht in ferne Lande. Wie unterscheiden sich solche europäischen Helden von japanischen?

Chemischer Mord im japanischen Massenverkehr

Die U-Bahn in der japanischen Hauptstadt Tokio führen sämtlich zu Kaufhöfen. Sie gehören Kaufhauskonzernen. Der Giftgasanschlag fand jedoch in U-Bahnstationen des Regierungsviertels in der Nähe des Kaiserpalastes statt. Das Machtzentrum Japans sollte durch den Anschlag herausgefordert werden.

Wie ist die japanische Polizei organisiert? Was will die Sekte, die der Anschläge verdächtigt wird? Wie funktioniert Sarin?

Der Japankenner und Sozialforscher Dr. Joachim Kersten (mit dem Spezialgebiet ostasiatische Kriminologie) über Zusammenhänge und Hintergründe des Giftanschlags.

Die Samurai

Viele hundert Jahre lang bildeten die Samurai die politische und gesellschaftliche Elite Japans. Der Ehrenkodex des” Bushido”, die rituelle Selbsttötung in aussichtsloser Lage (Seppukku) und zahlreiche berühmte Legenden und Heldengeschichten, darunter die von den 47 Getreuen, charakterisieren die lange Geschichte dieses Kriegerstandes. Prof. Dr. Wolfang Schwentker, Universität Osaka, einer der besten Kenner der japanischen Geschichte, berichtet.