Show: Man kann nicht lernen, nicht zu lernen

Ein Rettungsboot namens Bildung

Zu den beliebten Kinderbüchern gehört die “Hasenschule”. Tatsächlich aber gibt es Bildung und Institutionen des Lernens nur in menschlichen Gesellschaften. Der lateinische Begriff für Bildung heißt ERUDITIO: aus dem rohen Holz eine Form herausarbeiten. Dies entspricht einer früheren Vorstellung von Pädagogik. Die modernere Vorstellung hält dem entgegen: Es ist besser, von den Kindern zu lernen. Deren Natur ist reicher als jede Erziehung sein kann. Man soll, heißt es, bei Pestalozzi, bei Rousseau und bei dem modernen Bildungsforscher Piaget, nicht das Alte einprägen, sondern eine neue Welt entwickeln. Die Romanistin Prof. Dr. Ulrike Sprenger, Universität Konstanz und Verfasserin des Proust-ABC, über das RETTUNGSBOOT NAMENS BILDUNG.

Erstausstrahlung am 08.03.2010

Bildung zwischen Zwang und Freiheit

Der Begriff der BILDUNG geht davon aus, dass sich etwas im Innern der Menschen aus eigener Logik entwickelt. Erst an der Schwelle zum 19. Jahrhundert wird dieser Begriff in den Schulen und Universitäten dominant. Der Begriff der ERZIEHUNG geht dem gegenüber davon aus, dass ein Mensch von Außen geformt werden kann und somit ein Zwang und ein Stoff die jungen Menschen prägt. Immanuel Kant verbindet in seinem Begriff des “aufgeklärten Lernens” den Zwang, den eine Sache auf den Lernenden ausübt mit dem Begriff der Freiheit, ohne den Menschen nicht gedeihen und nicht Mitglieder eines Gemeinwesens werden können. Die Französische Revolution hat die schwächste Vorstellung eines freiheitlichen Bildungssystems entwickelt. Die konservativen preußischen Reformer haben dagegen das liberalste Modell eines Erziehungssystems entworfen (Wilhelm von Humboldt). Prof. Dr. Tenorth, Humboldt Universität Berlin, interpretiert den berühmten Satz von Immanuel Kant: “Wie kultiviere ich die Freiheit bei dem Zwange” auf dem Hintergrund der legendären Bildungsreform der Jahre nach 1807. Es ist merkwürdig, dass es für das Wort “Bildung” in anderen Sprachen kaum eine Entsprechung gibt.

Erstausstrahlung am 27.05.2013

Die Hüter königlicher Bücher

Ursprünglich war die Philologie dazu da, heilige Texte zu bewahren und von Irrtum zu reinigen. In der Moderne wurde sie zur SCHLÜSSELWISSENSCHAFT. Sie entwickelte die Schule der Skepsis und sie ist HÜTERIN DES SINNS GROSSER WERKE. Sie gehört als VIERTE zu den poetischen Künsten. Dr. Thomas Steinfeld, Leitender Redakteur der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, berichtet.

Erstausstrahlung am 04.01.2004

Der Lehrer als Soldat des Friedens

Vier Jahre lang waren die deutschen Lehrer im Krieg eingesetzt. Sie hatten die Erfahrung gemacht, wie ihre besten Schüler und Studenten verwundet und erschossen wurden. Alles dies aufgrund einer nachträglich schwer zu verstehenden politischen und kriegerischen Katastrophe. In der Debatte darüber, wie das Bildungssystem auf den Krieg antworten sollte, zerstritten sich die Geister. In der Reichsschulkonferenz im Juni 1920 sieht man Reformer an der Arbeit, aber auch Konservative an der Bremse. Es geht dem Reformflügel um mehr Gerechtigkeit, einen freieren Zugang zur Schule. In der Weimarer Republik entwickelt sich eine dynamische Erwachsenenbildung. Zugleich gelingt es erst spät, den Streit zwischen konfessioneller Schulbildung und staatlichem Schulwesen in ein Gleichgewicht zu bringen: Fortschritt und Retardierung. Im Krieg waren die Lehrer für falsche Ziele eingesetzt. Finden sie jetzt ihren Platz in der neuen Republik als Soldaten des Friedens? Der Bildungsforscher Prof. Dr. Heinz-Elmar Tenorth, Humboldt-Universität Berlin, berichtet.

Erstausstrahlung am 26.08.2013

Was hilft mir mein Bauchgefühl?

Der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal war als Rationalist Erfinder der Wahrscheinlichkeitstheorie. Zugleich aber stammt von ihm der Satz: “Das Herz hat einen Verstand, den der Verstand selbst nicht versteht”. Die Gleichgewichte zwischen Ratio und Intuition sind das Forschungsthema von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Wann ist es richtig, dass ich meinem Bauchgefühl vertraue? Wann ist es notwendig, dass ich allein den Kopf gebrauche? Begegnung mit Gerd Gigerenzer aus Anlass seines neuen Buchs “Bauchentscheidungen: Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition”.

Erstausstrahlung am 27.10.2008

Was heißt lernen?

Prof. Dr. Klaus Obermayer leitet eine Arbeitsgruppe an der Technischen Universität Berlin, die an der Nahtstelle von Biologie und Physik die Zukunft maschineller und menschlicher Intelligenz erforscht. Computer rechnen, Menschen lernen. Was bedeutet dieser Unterschied für die Architektur des Verstehens? Was bedeutet dieser Unterschied für die Evolution der Computer und die der Menschen?

Erstausstrahlung am 01.12.2008

Schule im Problembezirk

Im 12. Arrondissement im Südosten von Paris kämpfen die Lehrer einer Schule an der Bildungsfront, Jahr für Jahr. In jedem Augenblick fällt in der Auseinandersetzung mit den Schülern eine Entscheidung. Für seinen ungewöhnlich realistischen Film ENTRE LES MURS erhielt der Regisseur Laurent Cantet und sein ausgezeichnetes Team den höchsten Preis des Festivals von Cannes: die Goldene Palme.

Erstausstrahlung am 16.02.2009

Die Entstehung des Experten

Gleich die ersten Universitätsgründungen bringen den Typ des europäischen Gelehrten hervor. Das besondere Interesse des Historikers Prof. Dr. Rexroth gilt der Transformation dieses Gelehrten (anfangs der mächtigen Theologen und Juristen) zum modernen Experten. Was begründet das Vertrauen in die Experten? Was führt heute zur Vertrauenskrise gegenüber den Sachverständigen? Warum ist der Beruf des Sachverständigen unabdingbar? Prof. Dr. Frank Rexroth (Universität Göttingen) berichtet. In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin.

Erstausstrahlung am 31.08.2009

Die Reform geht mir nicht weit genug!

In der Öffentlichkeit wird diskutiert, ob man ganz oder teilweise zur alten Rechtschreibung, festgelegt im Duden von 1991, zurückkehren oder auf der Rechtschreibreform beharren soll. Dies greift zu kurz. Der Rechtschreib-Experte Fritz Kleiber behauptet: Die Rechtschreibreform geht noch längst nicht weit genug. Mehr Freiheit für die Konsonanten! Gleiches Recht für zu wenig genutzte Buchstaben wie X, Y und Z. Peter Berling als Oberstudiendirektor Fritz Kleiber.

Erstausstrahlung am 20.09.2004