Show: Man kann nicht lernen, nicht zu lernen

Tasten, Kleben, Kneten

Zu den ältesten Sinnen in der Evolution gehört der Tastsinn. Aber auch auf jede andere sinnliche Kraft in uns gründet sich ein Ausdrucksvermögen. In den Worten steckt Sinnlichkeit. Die Wissenschaft der Semiotik, die die Regeln verfolgt, in der die Worte funktionieren, entdeckt in unserer Sprache die gesamte Vorgeschichte der menschlichen Natur. Dabei verhält sich die Sinnlichkeit der Worte vorwiegend konservativ. Im Einzelnen aber ist sie neuerungssüchtig. Konservativ ist sie insofern, als es 100 Jahre und mehr dauert, bis sich eine neue Erfahrung in Worten festmacht. So weiß heute keiner mehr, dass in dem modernen Wort “hecheln”, die Erfahrung aus der Verarbeitung von Flachs steckt, die kaum einer mehr kennt. Prof. Dr. Dagmar Schmauks, Technische Universität Berlin, über die Sinnlichkeit der Worte.

Erstausstrahlung am 12.09.2016

Die Wurzeln von Musik und Emotion

Einer Gruppe von Pygmäen im Kongo und einer Gruppe von Kanadiern wurde jeweils eigene Musik und Musik der anderen Seite vorgeführt. Es gibt, sagen die Ethnologen und Musikwissenschaftler an der TU Berlin, welche die Untersuchung durchführten, verblüffend starke Gemeinsamkeiten in der Reaktion über Kontinente und Verschiedenheit der Kulturen hinweg. Erst auf diese gemeinsamen emotionalen Wurzeln setzen sich die Besonderheiten bei der Rezeption der Musik. Allerdings fühlen sich die Jäger im Kongo, für die die Musik böse Geister vertreibt und glückbringende herbeiholt, durch melancholische Westmusik nicht angezogen. Sie nutzen Musik nicht zur Trauer. Denn nur fröhliche Musik vertreibt böse Geister. Der Musikwissenschaftler, Dr. Hauke Egermann, Mitglied der Forschungsgruppe an der TU Berlin, berichtet.

Erstausstrahlung am 10.10.2016

Im Wartesaal des Lebens

Man wartet beim Arzt, im Stau, in Notzeiten in der Warteschlange vor Läden, auf Liebesglück, auf das Jüngste Gericht oder auf die Ankunft eines Retters. Es existieren 1.000 Facetten der Lebenserfahrung, die man Warten nennt. Der Dichter Dostojewsky behauptet: “Alles nimmt ein gutes Ende, für den, der warten kann!”. Manche Literaten feiern die “Kunst des Wartens”. Der russische General Kutusow, der klug auf den russischen Winter wartete, konnte durch seine Geduld den eiligen Napoleon besiegen. Generell gilt: für Flüchtlinge, für Machtlose, für Arme ist das Warten bitter. Frauen müssen anders warten als Männer. Starb in früheren Gesellschaften der Mann, musste die Witwe längere Trauerzeit verwarten als es für die Männer üblich war, wenn die Frauen starben. Warten ist ungleich. Die Autorin Friederike Gräff hat dieses Warten gründlich studiert. Ihre Publikation ist reich an konkreter Erfahrung.

Erstausstrahlung am 08.04.2015

Schatzkiste Sprache

Es gibt etwa 6.000 Sprachen auf der Erde. Einige gehören zu großen Sprachfamilien und deren Verzweigungen. Andere sind einzigartig und erscheinen wie Inseln. Alle Sprachen aber, unabhängig vom historischen Entwicklungsstand ihrer Sprecher, besitzen eine vergleichbare Komplexität. Der Reichtum einer Sprache kann im Wortschatz liegen, in der Grammatik oder in der Phonetik. Es gibt Sprachen, die eine uns Europäern völlig unbekannte Verschiedenheit von Lauten besitzen. Das “Alphabet” einer Sprache kann aus 160 Konsonanten bestehen, ungerechnet die Vokale. In anderen Sprachen ist die grammatische Flexibilität besonders entfaltet. So gibt es im Griechischen der Antike den Modus des Optativs, der Wunschform, den wir im heutigen Europa nur umschreiben könnten: eine Grammatik der Utopie. Und im Baskischen gibt es für den Modus der Arbeit den ERGATIV, eine eigene grammatische Form, in der der Sprecher seine übrigen Tätigkeiten von der ernsten Arbeit absetzt. Die meisten Sprachen auf engstem Raum existieren in den abgeschotteten Tälern von Neu-Guinea: über 1.000. Die meisten Sprachen auf weitem Raum findet man auf dem afrikanischen Kontinent. Die menschliche Sprache entstand ursprünglich in Afrika. Wenig bekannt ist, dass die meisten Afrikaner dreisprachig leben: sie sprechen ihren Heimatdialekt, eine der afrikanischen Verkehrssprachen wie Suaheli und die Kolonialsprache. Was die Kolonialsprache betrifft, kann man für Westafrika von Latein-Afrika sprechen. Um den letzten Sprecher einer aussterbenden Sprache, manchmal sind das drei oder auch nur eine Person, versammeln sich Sprachscouts von den besten Universitäten der Welt. Sie suchen den verwehenden Schatz noch rechtzeitig zu bergen. Permanent entstehen auch neue Sprachen. Nach Isolierung von einer ursprünglichen Sprachgemeinschaft braucht es etwa 500 Jahre, dass eine neue Sprache sich abgrenzt und stabilisiert. Die zwei Bände, die der Mathematiker und Sprachforscher Prof. Dr. Ernst Kausen den Sprachfamilien der Welt gewidmet hat, sind gemeinsam so dick wie vier Backsteine. Kausen sammelt den Reichtum der Sprachen wie die Brüder Grimm Märchen sammelten.

Erstausstrahlung am 21.02.2017

Sprache als Geld des Geistes

Es gibt Sprachen von hoher Komplexität und Ausdruckskraft, wie z.B. das klassische Chinesisch. Es gibt auch vereinfachte Kunstsprachen, wie Esperanto. Auf der Erde werden einige tausend verschiedene Sprachen gesprochen. Sprachen sind, sagt der Sinologe und Computerforscher Hartmut Pilch, eine “Gedankenwährung”. Wie jede Währung sind sie durch Inflation, Bankrott und Falschgeld bedroht. Sie können aber auch Booms erleben.

Erstausstrahlung am 21.08.1995

Was heißt Bildung?

Wolfgang Edelstein, 1929 in Freiburg im Breisgau geboren. Durch seinen Vater, einem der Begründer der Musikkultur Islands, aus dem Dritten Reich auf diese nördliche Insel gerettet. Nach dem Krieg zurückgekehrt nach Frankreich. Aus Gewohnheit Lateiner. Studienleiter an der Odenwaldschule, dem Zentrum für Bildungsreform in der BRD, später Mitbegründer und Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: Prof. Dr. Wolfgang Edelstein. Er schrieb eine Monographie über den Bildungsberater Karls des Großen, den Engländer Alkuin und dessen BILDUNGSKAPITULARIEN. Als Entwicklungspsychologe stand er an der Spitze der Debatte um die Bildungsreform in Deutschland und war mitverantwortlich für die durchgeführte Bildungsreform in Island. Was ist der Inhalt und die Aura des klassischen Begriffs der BILDUNG? Hat sie ihre Wurzel in der Selbstregulation der Menschen oder steht sie als Unterricht den Heranzubildenden gegenüber? Was heißt Bildung als Prozess? Und was kann man mit den Methoden von Bologna und Pisa prüfen? Begegnung mit dem Bildungsforscher Wolfgang Edelstein.

Erstausstrahlung am 08.11.2010

Kindheit und Lernen

Der Hochschullehrer und Autor Oskar Negt schrieb zu Beginn der Protestbewegung das bahnbrechende Buch “Soziologische Phantasie und exemplarisches Lernen”. Sein neuestes Buch heißt: “Kindheit und Lernen in einer Welt des Umbruchs. Plädoyer für einen neuen Generationenvertrag”. Oskar Negt zum 60. Geburtstag.

Erstausstrahlung am 01.08.1994

“Lernen ist der Gegenpol für Krieg”

Der Krieg tritt auf “neuausgerüstet in seinen ältesten Gewändern”, so nennt es der Theoretiker Paul Virilio in Paris. Der einige bekannte Gegenpol zum Krieg heißt nicht Frieden, sondern: lernen. Dieses Lernen läuft in unseren modernen Gesellschaften im Arme – Sünder – Gewand umher. Der Designer Mirco Baumm hat den Auftrag, einen Kongress auszugestalten. Es geht um die Hochrüstung des Lerners. Die Stickworte des Kongresses heißen: Innovation, Drama und Ritual. “Iß nie mehr als du tragen kannst”, sagt Miss Piggie. “Was bleibt, ist nicht”. Ein ungewöhnlicher Kommentar zur Bildungsreform.

Erstausstrahlung am 05.07.1993

Wer ist für meine Information zuständig?

Medienkoordination der Bundesländer ist der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz Kurt Beck. Neuer Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ist Staatssekretär Uwe-Karten Heye. Es geht um die Öffentlichkeit der Berliner Republik. Die Informations- und Kommunikationssysteme sind durch Medienmacht bedroht. Wie wird sich Ende unseres Jahrhunderts ein angemessener Stil der öffentlichen Information für die Berliner Republik herstellen lassen? Zwei, für Öffentlichkeit besonders zuständige, politische Praktiker berichten.

Erstausstrahlung am 03.01.1999