Show: Nachrichten vom Riesen China

10.000 Dinge in einem Pinselstrich

Die aufsehenerregende Ehrenhalle der Volksrepublik China auf der Frankfurter Buchmesse bestand aus der Installation “Buchberg”, erbaut von dem renommierten Künstler Jiwei Li: 5.000 Jahre chinesischer Kultur als ein begehbarer Raum. Die Elemente: ein Blatt Papier, ein Tropfen Tusche, ein Schriftzeichen, ein Buch. Die tonnenschwere, recht große Installation macht daraus ein kreatives Monument. Jiwei Li berichtet wie schwer es war, die chinesische Zensur für ein so ungewöhnliches Projekt zu gewinnen. An die eigentliche Grenze gelangte er bei der Einfuhr und im Aufbau der Installation in der Bundesrepublik. Hier gelten die DIN-Normen (mit denen wir schon den 2. Weltkrieg verloren haben), die in vollem Gegensatz stehen zu den technischen Präzisionsnormen in China. Zur Zollgrenze tritt die DIN-Norm-Grenze. Der Künstler hat aber mit Vehemenz alle Widerstände überwunden. Das Publikum staunte über das Werk. Zuvor hatte Jiwei LI bereits während der Olympiade 2008 die Deutsche Botschaft in Peking mit einer Installation bedacht: ein riesenhaftes Trikot über das gesamte Gebäude gestülpt. Begegnung mit dem Künstler Jiwei Li. Übersetzung: Gisela Reinhold.

BRÜDER, der Roman des neuen China

China befindet sich im Umbruch. Es ist charakteristisch für Gesellschaften, die sich plötzlichen Veränderungen gegenüber sehen (z. B. vom Mittelalter in die Moderne), dass deren Dichtkunst mit besonders rabiaten und drastischen Antworten aufwartet. Ein solcher drastischer Roman ist das Werk des chinesischen Dichters Yu Hua, der als Kandidat für den Nobelpreis gilt. Die starken Bilder dieses Romans erinnern an die fantastischen Figuren von François Rabelais (1494 – 1553) und ULYSSES von James Joyce (1882 – 1941). Zwei Brüder, der eine reich und böse, der andere gut und arm, suchen ihr Glück. Keiner von beiden findet es im neuen China, so wenig ihre Eltern (sie sind Halbbrüder) ihr Glück in der Kulturrevolution fanden. Begegnung mit Yu Hua.

China-Lexikon

Er ist Experte für Chinas Gegenwart. Mit der gleichen Genauigkeit untersucht er als Sinologe frühe Texte der Han-Dynastie aus der Zeit um Christi Geburt. Er schrieb das Buch “Die 101 wichtigsten Fragen – China”. Er kann selber als China-Lexikon gelten. Die menschliche Zivilisation entstand auf dem Globus vermutlich zweimal unabhängig voneinander: in China und in Europa. Es lohnt sich, diese Unterschiede und das darin enthaltene Denken zu erforschen, so Prof. Dr. Hans Van Ess, LMU München.

Das Projekt der Moderne im “Wilden Osten”

Es ist wenig bekannt, dass der 2. Weltkrieg nicht erst im September 1939, sondern 8 Jahre früher in der Mandschurei als Krieg zwischen Japan und China ausbrach. Zum gefährlichen Machtdreieck zwischen Japan, China und Russland im Fernen Osten gehörte als Rückgrat und als Symbol das Projekt der ostchinesischen Eisenbahn. Ursprünglich war sie ein Ableger der Transsibirischen Eisenbahn und in russischem Besitz. Sie bildete mit der Transsib ein “T”, das bis Port Arthur reichte. Alles das ging als Folge des für Japan siegreichen Kriegs gegen Russland im Jahr 1904 verloren. Die Bahntrasse ging später in japanischen Besitz über und gehörte zum Projekt der Moderne im “Wilden Osten”, der Mandschurei. Was heute von Silicon Valley erwartet wird, wurde damals von dem Gelände rechts und links dieser Eisenbahnstrecke erwartet. Auf ihr zuckelten von Dampflokomotiven gezogene traditionelle russische Waggons, während auf den Gleisen gegenüber der legendäre japanische Asia-Fernexpress dahinjagte. Im verglasten Salonwagen dieses futuristischen Zugs (mit Blick vom Heck) hatte man eine Aussicht wie aus einem Raumschiff. Dr. Sören Urbansky, LMU München, berichtet über Eisenbahntrassen und Imperien: das Projekt der Moderne im “Wilden Osten”.

Das Böse siegt nicht immer

Zwei Arbeiter in einem Bergwerk in China, die ihr Glück machen wollen, konstruieren durch Mord einen Versicherungsfall. Sie erpressen einen gleichfalls korrupten Bergwerksdirektor. Anschließend wollen sie ihre Tat wiederholen. Das misslingt, weil einer der beiden sich nicht auf der Höhe des Bösen fühlt. Diese wahre Geschichte ist der Stoff des Films des chinesischen Regisseurs Li Yang DER BLINDE SCHACHT. Der Film erhielt den Silbernen Bären auf der Berlinale.

Das schnelle Pferd des Gedankens

Der Philosoph, Soziologe und Naturwissenschaftler, Prof. Dr. Wang-Hui in Peking, gilt als der “chinesische Habermas”. Sein besonderes Interesse widmet er der Rekonstruktion und Verankerung der Phänomene des 21. Jahrhunderts in der 4.000-jährigen Tradition Chinas. Vor dem Hintergrund dieser Vielfalt zeigt sich die Differenz zwischen europäischem und chinesischem Denken, wobei die Worte und Begriffe, auch wenn sie ähnlich oder gleich klingen, etwas höchst Verschiedenes bezeichnen können. Akzeptiert man aber diese Verschiedenheit, entsteht Verständigung.

In dem Gespräch mit Wang-Hui geht es um die Phänomene „Masse“, „Staat“, „Liebe“, „Gemeinwesen“ und „Sprache“. Schon die Namen großer europäischer Philosophen erhalten in der chinesischen Sprache eine interessante Bedeutung. So heißt Karl Marx wörtlich übersetzt „das schnelle Pferd des Gedankens“, Immanuel Kant heißt „der große und körperlich robuste Tugendhafte“, Hegel kann man mit „das tiefe Meer“ übersetzen.

Begegnung mit Wang-Hui und seinen „lebendigen Begriffen“.