Show: Unsere Stars

“Am Schlaf der Welt sägen die Verse”

Als Überraschungssieger erhielt der Dresdner Autor Durs Grünbein, 33 Jahre alt, den Georg-Büchner-Preis, die höchste Auszeichnung für Literatur in Deutschland. Grünbein, der sein erstes Buch kurz vor der Wende veröffentlichte, publizierte danach in rascher Folge rhythmische Dichtungen von starker Ausdruckskraft: “Grauzone morgens”, “Schädelbasislektion” usf. Sein letztes Buch heißt: “Den teuren Toten”. Es geht um fiktive Grabinschriften, die in Kurzform und konzentrierter Sprache Romane von einfachen Menschen erzählen. Die Preisverleihung ist begleitet von einem heftigen Literaturstreit: Robustheit und Erfahrungsgehalt oder Feinsinn und traditionelle Poesie? Der mitteldeutsche Vers-Mafioso Grünbein steht auf der Seite der Robustheit.

Erstausstrahlung am 04.12.1995

Porträt für Heiner Müller zum 60. Geburtstag

Heiner Müller ist ein weltbekannter deutscher Dramatiker. Er ist besonders schwer für das Fernsehen zu interviewen. In der Magazinsendung “Namen und Leute” berichtet er erst mal über seine Herkunft, die Eltern, die Zeit im Kriege. Er ist Jahrgang 1929. Dieser schwer gebeutelte Jahrgang hat das Kriegsende 1945 noch hautnah erlebt. Einige seiner bekanntesten Stücke, die ihn berühmt machten: Der Lohndrücker; Der Bau; Philoktet; Der Auftrag; Quartett; Germania, Tod in Berlin. Am 18.1.1989 hat Heiner Müller 60. Geburtstag.

Erstausstrahlung am 09.01.1989

Durchbruch eines Außenseiters

Der Junge Filmemacher Richard Linklater aus Austin/Texas ist durch eine Trilogie von abendfüllenden Filmen aufgefallen, deren Handlung sich jeweils in einem Umkreis von 18 Stunden abspielt. Die Filme sind in Echtzeit gedreht. Der erste kostete 23.000 Dollar, der letzte 3 Millionen Dollar. Dieser Film heißt BEFORE SUNRISE und handelt davon, dass ein junger Amerikaner im D-Zug eine junge Französin (Julie Delpy) kennenlernt. Sie steigen in Wien aus und verleben eine aufregende Nacht.

Erstausstrahlung am 11.06.1995

“Ich bin ein Verfechter des Klassischen!”

Es gibt die Klassik des Perikles in der Antike, die des Zeitalters des Kaisers Augustus, die der Renaissance und die Deutsche Klassik von Wien und Weimar an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Die Werke, die aus diesen Höhepunkten der Kunst stammen, haben vermutlich ein ewiges Leben. Zeiten, die sich dem Klassischen widersetzen, knüpfen an die Klassik dennoch an, die als Gegenpol und Standard ihren Bestand behält. Joachim Kaiser, Literatur-, Theater- und Musikkritiker der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, ist ein unbestechlicher und entschiedener Verfechter des Klassischen. Er berichtet über das Parallelogramm der Kräfte zwischen Energie und Ausdruck, das die große Leistung jeder Klassik darstellt. Begegnung mit Joachim Kaiser.

Erstausstrahlung am 23.12.2007

Nachts schreibe ich am liebsten

Wolfgang Hohlbein schrieb über 100 Romane. Die meisten handeln von elementaren Katastrophen wie Feuer, Flut, Menschenopfern und von Kräften aus dem Dunkeln. In einem Fall geht es um die Wiedergeburt des Antichristen. Ein Meister der Fantastik. An den Romanen arbeitet er gemeinsam mit seiner Frau. Meist schreibt er nachts.

Erstausstrahlung am 09.02.2003

Ich finde, die Rollen müssen mich finden

Hannelore Elsner war Schauspielerin in großen Filmen des Autorenkinos. Bei Tremper, Reitz, Brustellin und vielen anderen. All ihre Anhänger überraschte sie aber ins Oskar Roehlers Film DIE UNBERÜHRBARE. In diesem Film spielt sie eine imponierende Frau, die lieber im großen Stil untergeht, als ihr Format zu verlieren: Hanna Flanders. Vorbild ist das tragische Ende der Schriftstellerin Gisela Elsner, Mitglied der GRUPPE 47, Vor-Achtundsechzigerin und Mutter des Regisseurs Oskar Roehler. Hannelore Elsners Darstellung gibt, zugleich mit dieser Frau, der “verlorenen Generation” der Vor-Achtundsechziger, die in vielem kritischer war, als alles, was folgte, einen großen Glanz. Der Film schlägt eine Brücke zwischen Generationen, die einander nicht mehr kennen. Ein Porträt der Schauspielerin Hannelore Elsner aus Anlass ihres Films und auf dem Hintergrund ihrer lebenslänglichen Tätigkeit als Schauspielerin.

Erstausstrahlung am 17.09.2000

Die Unberührbare

Es gehört zu den seltenen Ereignissen, daß Filme aus Deutschland zu den Internationalen Filmfestspielen in Cannes eingeladen werden. Oskar Roehlers S/W-Film wurde spontan eingeladen. Er erhielt den diesjährigen Bundesfilmpreis in Gold. In dem Film beschreibt Oskar Roehler das grandiose Ende seiner Mutter, der Schriftstellerin Gisela Elsner, die zur Gruppe 47 gehörte. Wie in dem Roman DON QUICHOTE, ist die Darstellung gleichzeitig tragisch, komisch, liebevoll und kritisch. Die Stärke des Films liegt darin, daß wenige, einzelne Eigenschaften dieser imponierenden Frau herausgegriffen und in den Rhythmus des Films umgesetzt werden. Die Stärke des Films liegt in seiner Abstraktion. Die Schauspielerin Hannelore Elsner hat in bewundernswerter Weise dieses Raster mit Leben ausgefüllt. Oskar Roehler schafft eine Brücke zu jener Generation, die der der 68er vorausging. Die Ideale dieser Generation und die enormen Lebensenergien paßten kurze Zeit später schon nicht mehr auf die veränderte Zeit (“Zeitentzug”). Requiem für eine “verlorene Generation”.

Erstausstrahlung am 02.10.2000