Monotheismus und Sprache der Gewalt

Als es viele heidnische Götter gab, verhielten sich die Religionen der Völker zueinander kommunikativ. Die meisten Götter waren Verwandte. Der Bruch entstand, mit der Erfindung der Idee des EINZIGEN GOTTES. Das war die Geburtsstunde der Unterscheidung von “Wahr” und “Unwahr”. Aus Ägypten wanderte die Idee des einzigen Gottes in den Nahen Osten und später in andere Teile der Welt. Mit der rigiden Unterscheidung zwischen Wahr und Unwahr entfaltete die Sprache Gottes einen Motor der Gewalt.
Der führende Ägyptologe Prof. Dr. Jan Assmann über den Monotheismus und die Sprache der Gewalt.

Calvin versus Luther

Der Genfer Reformator Johannes Calvin, Franzose und ursprünglich Jurist, bildet innerhalb der protestantischen Bewegung neben der Partei Luthers eine zweite, in Fragen des Abendmahls verschiedene und in der Art der Kirchenzucht von Luther abweichende Partei. Schon vor ihm hatten sich die Gegensätze der schweizerischen Reformation gegenüber der Wittenberger im Marburger Religionsgespräch als unüberwindbar erwiesen. Für Calvin ist – wie für Luther – Gott unbestechlich. Über Luther hinausgehend aber geht Calvin davon aus, dass Gottes Gnade willkürlich und im Voraus über die Menschen verteilt ist. Eine Ahnung davon, wen er liebt, lässt sich unter Umständen daraus erkennen, dass ein Mensch auf Erden durch Glück oder Vermögen belohnt wird.

Die Calvinsche Doktrin und Genfer Kirchenzucht besaß radikale Züge. Es gibt dort Hexenprozesse und die Verurteilung eines Arztes und Theologen zum Feuertod wegen abweichender theologischer Auffassung. Auf der anderen Seite haben sich die Calvinschen Ideen über die Niederlande, über Schottland und die englische Bewegung des Puritanismus in der Welt ausgebreitet und sind mit den Pilgervätern in die U.S.A. eingewandert. Stark modifiziert bilden sie dort ein wesentliches Stück im Selbstbewusstsein der U.S.A.: hohe Moralität und Freiheitsgedanke sind durch Calvins Lehre und Haltung gestützt.

Wie eng Reformation und Gegenreformation in ihren Wurzeln miteinander Verbindung hatten, zeigt sich darin, dass Ignazio von Loyola, der Protestant unter den Katholiken und Johannes Calvin, der Orthodoxe unter den Protestanten, gemeinsam an der Universität Paris studierten.

Der Historische Theologe Dr. Görge Hasselhoff berichtet.

Die himmlische Urschrift

Koran heißt arabisch “Lesung”. Die moderne arabistische Forschung geht davon aus, dass der heiligste Text des Islam aus einem Prozess des Dialogs in der ursprünglichen Gemeinde und aus verschiedenen Mitschriften entstand. Auch zeigt sich der Koran vielfältig vernetzt mit jüdischen und christlichen theologischen Debatten der Spätantike. Der Koran antwortet darauf, weist zurück und nimmt am Dialog teil. Die Islamforscherin Prof. Dr. Angelika Neuwirth, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, eröffnet in ihren Publikationen einen europäischen Zugang zum Verständnis des Hauptwerks des Islam.

Apokalypse des Abraham

Die Apokalypse des Abraham ist eine einzigartige, apokryphe (nicht in den offiziellen Heiligen Schriften enthaltene) Quelle in aramäischer Sprache. Sie ist heute nur erhalten in kirchenslawischen Abschriften. Sie zeigt den Stammvater Abraham als Initiator der “Aufklärung”. Täglich fährt er die Götzen seines Vaters zu einem Teich, um ihnen “den Mund auszuwaschen”. Die Götzen fallen ihm von Fahrzeug und zerbrechen. Wie ein Experimentator beobachtet der Stammvater die Szene. Wie sollen Götter, die sich nicht selbst reparieren können, uns das Heil bringen? So gelangt Abraham in dieser APOKALYPSE in mehreren Schritten zur Vorstellung vom “unsichtbaren Gott”.

Der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Joseph Vogl, bekannt durch sein Buch DAS GESPENST DES KAPITALS, kommentiert dieses eindrucksvolle theologische Dokument, von dem man sich wünschen würde, dass Luther es gelesen hätte.

Sternstunden der Theologie

Es geht um die Theologen Paul Tillich, Karl Barth, Rudolf Bultmann, Thomas von Aquin, Martin Luther, Johannes Calvin, Augustinus. Jeder von ihnen hat einen Baustein gesetzt zur großen Tradition der Theologie in Europa. Für Prof. Dr. Alf Christoffersen, LMU München, stehen dabei die Kategorien der VERDICHTETEN ZEIT und des KAIROS im Vordergrund. Sie stehen in Wechselwirkung zum “Seelenfunken”, zum “Pneuma” (Atem), zum “Thymos” (Mut) und zum “menschlichen und göttlichen Bewusstsein”. Die verfließende, mechanische Zeit wird regiert von dem Gott Chronos oder Saturn; der frisst seine Kinder. Der “glückliche Moment” öffnet sich dagegen mithilfe des kleinwüchsigen Gottes KAIROS, dem Gott des Augenblicks. Er entscheidet nicht nur über Glück und Unglück, sondern auch über den Glauben. In verdichteter Zeit ist von besonderer Bedeutung die Kategorie des “Blitzes” und der “blitzhaften Einsicht”. Gnade ereignet sich blitzartig oder gar nicht. Eine Reise durch Höhepunkte der Theologie.

Der Glaube kommt aus dem Hören

Es lohnt sich, auch in Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2017, die religiöse und politische Wende in Mitteleuropa nach 1517 (dem Beginn der Reformation in Wittenberg), in ihren Zusammenhang zu setzen, zu verstehen und für unsere Zeit neu zu „übersetzen“. Man sieht dann nicht nur auf Luther, sondern auch auf andere Vertrauensleute jener Zeit wie Erasmus von Rotterdam oder den Theologen Melanchthon. Man erkennt dann auch die starken Zusammenhänge zwischen dem Bauernaufstand und den ideellen Umbrüchen jener Zeit.

Im Mittelalter gibt es Darstellungen, wie der Heilige Geist durch eine Taube sich ans Ohr des schreibenden Mönches wendet. Der Glaube hat seine Wurzel nicht bloß in der Schrift, sondern vor allem im Wort und in den unsichtbaren Bildern der Musik. Sie gehören zur SPIRITUALITÄT. Der Glaube kommt aus dem Hören. Er lebt nicht auf der Augenweide. Dieser Ansatz gehört zur Radikalität („Wurzelhaftigkeit“) jener Wende um 1517, die wir die Reformation nennen und die einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren umfasste. Die Reformation hat viele Echos, auch in den oft tiefgreifenden Antworten der Gegenreformation. Der Protestantische unter den Katholiken, der Begründer des Jesuitenordens Ignatius von Loyola und der Reformator Calvin saßen gemeinsam als Kommilitonen im theologischen Seminar der Universität Paris. In der Geschichte der Kirchenspaltung lässt sich das Verbindende und manche Nähe ebenso untersuchen wie das Trennende.

Begegnung mit dem Kirchengeschichtler und Theologen Prof. Dr. Volker Leppin, Universität Tübingen. Ihm ist eine grundlegende Untersuchung der Reformationsepoche zu verdanken.

Arbeit ist das halbe Leben

Zwischen dem Können (der Arbeitskraft) der Menschen und den wechselnden Gestalten der Sklaverei und der Lohnarbeit liegen Welten.

Arbeit ist das halbe Leben

Zwischen dem Können (der Arbeitskraft) der Menschen und den wechselnden Gestalten der Sklaverei und der Lohnarbeit liegen Welten. Heute rufen das Internet der Dinge und die 4.0 Industrie vernetzbarer digitaler Produktion die Frage nach der Zukunft der Arbeit auf den Plan. Diese Zukunft ist ohne die Geschichte, in der die einzelnen Elemente, aus denen Arbeit besteht, sichtbar werden, nicht zu verstehen.

Die Wiener Professorin Andrea Komlosy kommt gerade von einer Konferenz über solche Fragen aus St. Petersburg zurück. Sie hat eine Geschichte der Arbeit geschrieben, die von 1250 bis zur Moderne reicht. Wie Identität und Selbstbewusstsein, auch Emanzipationschancen der Menschen, mit der Institution Arbeit verknüpft sind, wird plastisch, wenn man an das Verschwinden der klassischen Industriewelt in Europa und die Verlagerung kasernierter und entfremdeter Arbeit nach Asien nachdenkt.

Begegnung mit Andrea Komlosy.

Arbeiten und Schlafen

Klassische Arbeit, auf die sich der Produzentenstolz von Menschen und ihre Integration in die Gesellschaft gründet, ist wie ein Eisberg. Den Unternehmer interessiert nur die Spitze, die betriebliche Leistung. Der Eisberg hat aber einen gewaltigen Unterbau, größer als das, was man sieht. Wenn man diesen Unterbau nicht beachtet, wird der Bauch der Titanic aufgeschlitzt. Wenn man die Menschen im Rust Belt der industriellen Wüste der U.S.A. nicht wahrnimmt, erlebt man Überraschungen wie den Wahlsieg von Donald Trump. Eine der großen Gegenpole der Arbeit, die aber bei jedem Menschen zum Lebenszusammenhang gehört, ist der Schlaf (entsprechend die Pausen, das Ausruhen, die Familie). Der Soziologe Prof. Dr. Dirk Baecker, Inhaber des Lehrstuhls für Kulturtheorie und Management an der Universität Witten/Herdecke, untersucht die Zukunft der Arbeit auf dem Hintergrund der gesamten Innenausstattung des menschlichen Könnens, das sich in dem bloßen Arbeitsergebnis nicht erschöpft. Ein Mensch trägt immer sein Ganzes dorthin, wo er arbeitet.