Wer sich vermehrt, lebt nicht verkehrt

Die biologische Evolution ist blind. Zugleich ist sie aber einer der eindrucksvollsten “Integrativen Lernprozesse”. Derjenige gewinnt, der sich erfolgreicher vermehrt. Besondere RivalitĂ€t herrscht zwischen der mĂ€chtigen Gruppe der Parasiten und Mikroorganismen und der Tier- und Menschenwelt. Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Strömungen des Lebens fĂŒhrt zu tödlichen Konflikten. Oft erscheint sie aber auch wie eine “unbewusste Kooperation”. Jeder lernt von jedem. Der Evolutionsbiologie Prof. Dr. Paul Schmidt-Hempel, ETH ZĂŒrich und Wissenschaftskolleg Berlin, berichtet ĂŒber neuste Forschungen in der Evolutionsbiologie.

Paarungsverhalten der Millionenfische

Ein karpfenartiger Fisch, den es im Atlantik ebenso gibt wie im SĂŒĂŸwasser und der sich rasch vermehrt und eine interessante Vielfalt an sexuellen PrĂ€ferenzen zeigt, wird „Millionenfisch“ genannt. An ihm studieren die Evolutionsbiologen gern die Varianten des Paarungsverhaltens. Sie sind verblĂŒfft darĂŒber, dass weibliche Exemplare, nachdem sie den Zweikampf zwischen zwei MĂ€nnchen um ihre Gunst beobachtet haben, zunĂ€chst oft den Besiegten bevorzugen.

Die Biologen fĂŒhren das darauf zurĂŒck, dass sie den aufgemotzten und im Kampf erregten Sieger als GewalttĂ€ter fĂŒrchten. Eine Zeit spĂ€ter legt sich der Impuls und sie kehren zu der PrĂ€ferenz fĂŒr den StĂ€rkeren zurĂŒck. Das lĂ€sst sich alles mit Darwins Thesen vereinbaren, dass die Evolution Wege verfolgt, die fĂŒr eine reiche Nachkommenschaft gĂŒnstig sind. Wie aber ist die HomosexualitĂ€t unter den Fischen zu verstehen? Sie bringt keine Nachkommen. Offenbar hat sie aber ebenfalls evolutionĂ€re Vorteile.

Dies alles gehört zum Forschungsgebiet des Evolutionsbiologen Privatdozent Dr. Martin Plath, UniversitÀt Frankfurt.

Wir ĂŒberlisten den Tod

Daphnien sind kleine Krebstiere, populĂ€r auch „Wasserflöhe“ genannt. GegenĂŒber KlimaverĂ€nderungen, Naturkatastrophen und Nahrungsmangel haben diese Tiere, beheimatet in ihrem Wasserelement, in ihrer langen Evolution geniale Strategien entwickelt. Dazu gehören Dauer-Eier, die in Notzeiten auf den Grund des Teiches oder des Sees absinken, dort ĂŒber viele Jahrzehnte – vermutlich sogar Jahrhunderte – in Dauerruhe verharren, also ĂŒberleben und bei der ersten gĂŒnstigen VerĂ€nderung der Umwelt die Population wieder herstellen. Die winzigen Tiere vermehren sich normalerweise, indem sie sich klonen. Werden die Zeiten aber hart, so gehen sie ĂŒber zur zweigeschlechtlichen SexualitĂ€t und gewinnen durch Mischung ihrer Gene zusĂ€tzliche Abwehrchancen fĂŒr ihren Nachwuchs. Was Kampf und List zur Überwindung des Todes betrifft, sind sie uns höheren SĂ€ugetieren absolut ĂŒberlegen.

Der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Klaus Schwenk, UniversitÀt Koblenz-Landau, berichtet.

Mimesis und Mimikry

Arbeitsschwerpunkt von Prof. Dr. Peter Berz, UniversitĂ€t Wien, ist die Wissens- und Kulturgeschichte und zwar, wie er sagt, in einer vor-, nach- und anti-darwinistischen Perspektive. Das ist zugleich die Beobachtungsweise des legendĂ€ren Strukturalisten LĂ©vi-Strauss. Besonders interessieren Peter Berz die MIMIKRY (SignalfĂ€lschung von Pflanzen oder Tieren, die fĂŒr das eigene Überleben vorteilhaft ist) und die MIMESIS (literarisches Ideal der “EinfĂŒhlung” seit Aristoteles). Die verblĂŒffende Beobachtung von Peter Berz ist hierbei, dass Mimikry in der Biologie auch dann ausgeĂŒbt wird, wenn sie nicht dem Überlebenskampf, sondern der persönlichen Auszeichnung dient, also quasi kĂŒnstlerisch angewendet wird. Die biologische Natur, behauptet Peter Berz, ist eine Poetin.

“Ich spritze mein Blut in das Auge des Feindes”

Die Evolution der Vögel trennt sich von jener der SĂ€ugetiere und Menschen vor vielen Millionen Jahren. Die Vögel sind direkte Nachfolger der Saurier. Ihr Hirn, die Augen und der Körperbau gingen andere Wege als die unserer unmittelbaren Vorfahren. Die Leistungen der Vögel aber sind in manchen Einzelheiten uns SĂ€ugetieren ĂŒberlegen. MerkwĂŒrdigerweise sind die Krokodile die nĂ€chsten Verwandten der Vögel auf dem Weg von den Sauriern in die Gegenwart. Die Eigenschaften in der Kette der Vorfahren der Vögel, vor allem bei den Echsen, zeigen faszinierende Techniken des Überlebens. Von einer Echsenart, die den Vögeln voranging, heißt es “ich spritze mein Blut in das Auge des Feindes”. Der Evolutionsbiologe Joseph H. Reichholf ĂŒber Faszinierendes ĂŒber die Evolution von Vögeln und Echsen.

Kampf ums Dasein

Schimpansen jagen rote Stummelaffen. Diese leben in den RegenwĂ€ldern Westafrikas in den Baumkronen. In den höheren Etagen dieser BĂ€ume hausen Diana-Meerkatzen. Die Meerkatzen warnen die Stummelaffen, wenn die Schimpansen kommen. Neuerdings stellen Meerkatzen und Stummelaffen ihre gegenseitige Hilfe um: Sie lernen (auf Gegenseitigkeit) die menschlichen Wilderer zu unterscheiden. Vergeblich suchen diese sich durch Nachahmung von Tierstimmen anzunĂ€hern. Die lernfĂ€higen Affen haben alle Tricks durchschaut. Soziale Wachsamkeit der Affen. Primatenforscher Redouan Bshevari vom Max-Planck-Institut in Seewiesen berichtet ĂŒber seine Erfahrungen.

Affen in Vietnam

Ohne Menschenaffen gibt es keinen Apoll von Bevedere. Die Unterschiede zwischen den Genen von Affen und Menschen, sagen die Naturforscher, sind geringer als man annimmt. Eine besonders seltene Affenart, fast ausgestorben, sind die “Languren mit den langen Hosen”. Eine Gruppe von Zoologen haben Restexemplare dieser Affen in Vietnam aufgespĂŒrt. Gemeinsam mit anderen seltenen Affen, die vor den Kochtöpfen gerettet wurden, werden die Languren in den Dschungel von Vietnam rĂŒckgesiedelt. Ein spannendes und informatives Magazin. In Zusammenarbeit mit Spiegel TV.

Feldforschung im Schimpansenwald

Vor 6 Millionen Jahren trennten sich die Entwicklungslinien von Menschen und Schimpansen. Mit Erstaunen hat die Feldforschung jetzt WerkstĂ€tten und Werkzeuge von Menschenaffen von vor 4.300 Jahren entdeckt. KriegsfĂŒhrung einerseits und Kooperation und SolidaritĂ€t andererseits sind kulturelle Eigenschaften unserer nahen Verwandten. Prof. Dr. Christophe Boesch, Direktor am Max-Planck-Institut fĂŒr EvolutionĂ€re Anthropologie in Leipzig und gleichzeitig aktiver Feldforscher in Afrika, berichtet.

Menschenrecht fĂŒr Ungeborene

Ein amerikanisches Ehepaar möchte sein totes Kind klonen. Eine Sekte will dies möglich machen. Was geschieht, wenn durch KLONEN eine ZWEITE MENSCHHEIT entsteht? Welches Menschenrecht schĂŒtzt die Erb-Information kĂŒnftiger Geschlechter vor PFUSCH IN DER KEIMBAHN. Prof. Dr. med. Alexander S. KekulĂ© berichtet.