Unter dem Eindruck des Terrors im 21. Jahrhundert, der mit den Twin Towers begann, schrieb Giorgio Agamben sein Buch: „Stasis: Der Bürgerkrieg als politisches Paradigma“. Der große italienische Philosoph unterscheidet dabei OIKOS, die Lebenswelt, POLIS, die Stadt und STASIS als den Aufstand, die Krise, den Weltbürgerkrieg. Er knüpft an die Theorien hierüber an, die auf den englischen Philosophen Hobbes zurückgehen. Auch Hegels PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES legt hierzu eine theoretische Grundlage, wenn in diesem Werk die Treue zur Familie im Fall der Antigone mit dem System des Staates, vertreten durch den König Kreon, in einen tödlichen Konflikt gerät. Agamben ist darüber verwundert, dass es bis heute keine zusammenhängende Theorie des Terrors gibt, obwohl Carl Schmitt die dazu nötigen Fragen in seiner THEORIE DES PARTISANEN längst aufgeworfen hat. Im Zentrum von Giorgio Agambens Theorie steht der Begriff der Amnestie. Agamben stützt sich hier auf eine theologische Dimension: Es geht nicht um einfaches Ausschalten einer Strafvollstreckung, auch nicht einfach um Vergessen, vielmehr wird Erinnerung umgewandelt und neues Leben ermöglicht: „Das, was vollendet war, wird unvollendet gemacht.“ Die Vergangenheiten können neu angeeignet werden. Alles dies gehört zum ABC des 21. Jahrhunderts. Archäologie, sagt aber Agamben, ist die einzige Straße, die wirklich zur Gegenwart führt. Begegnung mit Giorgio Agamben in Venedig.
Erstausstrahlung am 05.03.2018