Macht ohne Maske

Die USA entwickelten seit 1945 einen Willen zur Vorherrschaft in der Welt, dem jede Heuchelei fremd ist. Diese Haltung führt in jüngster Zeit zu Kollisionen mit dem alten Europa, das mit Weltmachtgedanken, aufgrund bitterer historischer eigener Erfahrungen, besonders vorsichtig umgeht. Egon Bahr, Kanzleramtsminister unter Willy Brandt und heute als Sicherheitsexperte tätig, berichtet.

Erstausstrahlung am 03.05.2004

Das Bild Europas

Im HAUS DER KUNST präsentierte der Architekt und Städtedesigner Rem Koolhaas seine Vision von Europa. In einer tumultartigen Bilderwelt ist die Geschichte Europas mit der Geschichte der Europäischen Union verknüpft. Eine Kartografierung der Gründe und Bilder, warum wir uns Europa zuwenden müssen. Rem Koolhaas berichtet.

Erstausstrahlung am 13.02.2005

Das Brüsseler Panorama

Der prominente literarische Autor aus Wien, Robert Menasse, reiste nach Brüssel. Er suchte einen Romanstoff, der im Zentrum der Europäischen Union, und zwar unter den Brüsseler Beamten, handelt. Er fand bei seiner Recherche keines der Vorurteile, die über Schwächen der EU im Umlauf sind, bestätigt. Ihm geht es um eine positive Perspektive: gibt es einen Weg zu einem “Europa der Regionen”? Was heißt nach-nationale Demokratie? Wie Roman-tauglich sind EU-Beamte? Der Titel von Menasses Buch heißt “Der europäische Landbote”, eine Anspielung auf eine berühmte Publikation von Georg Büchner. Begegnung mit dem Dichter Robert Menasse und über ihn mit der Europa-Zentrale in Brüssel, die uns alle betrifft.

Erstausstrahlung am 09.09.2013

Im Namen der Völker: in Sachen Mord!

Als Leiter einer Kommission von über 30 Kriminalisten und Experten ermittelte der Berliner Leitende Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis im Auftrag der Europäischen Union auf den Philippinen. Es ging um die Aufklärung und Eindämmung von Mordfällen. Zuvor war er im Auftrag des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Chefermittler in Sachen des Attentats auf den Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri im Libanon. Detlev Mehlis führte diese Untersuchung im Namen der Völkergemeinschaft als Undersecretary des UNO-Generalsekretärs durch. Ministerpräsident Hariri wurde in seinem gepanzerten Fahrzeug durch ein Selbstmordattentat, das offenbar von hoher Stelle angestiftet war, mit einer ungewöhnlich großen Sprengladung, die 200 weitere Opfer forderte, umgebracht. Die Untersuchung, die von den unter Verdacht stehenden Kreisen ihrerseits mit Anschlägen bedroht wurde, wurde international stark beachtet. Die Aufklärung von Verbrechen “im Namen der Völker” und in ausgeprägten Mordfällen ist neu. Begegnung mit Detlev Mehlis.

Erstausstrahlung am 11.09.2011

Felseninsel Lampedusa

Näher an der Küste Nordafrikas als an Siziliens Spitze liegt die Insel Lampedusa. Die Ufer sind steil und die primitiven Boote, gefüllt mit Flüchtlingen, können nur an wenigen Stränden landen. Das Wetter im Mittelmeer ist ungleichmäßig, oft tückisch. Die Bilder der Ertrunkenen haben sich im öffentlichen Bewusstsein eingeprägt. Was ist das für eine Insel? Im 18. Jahrhundert Fürst Potemkin und Katharina II wollen diese Insel als ein zweites Malta zum Stützpunkt für die russische Flotte machen. Im 19. Jahrhundert kurbelt der König von Neapel eine Besiedlung der Insel an. Heute gilt sie als südlicher Vorposten Europas im Krisenbereich anlandender Immigranten. Eine Abgeordnete der Insel im italienischen Parlament ist Politikerin der Lega Nord. Ulrich Ladurner, Autor der ZEIT, hat an Ort und Stelle die Felseninsel erforscht. Er berichtet über die Realitäten und Hintergründe der Migration aus Afrika nach Europa, die sich vor und auf dieser Insel mit oft tödlichem Ausgang konzentriert. Ein wichtiger und verblüffend interessanter Fleck im Mittelmeer.

Erstausstrahlung am 06.04.2016

Nachleben des Politischen

Immanuel Kant hat den Verlauf der Französischen Revolution mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Ihr Scheitern im Terreur, was die Menschenrechte und den Freiheitsbegriff betrifft, und ihr politisches Ende nach dem Thermidor hat er als extreme kritische Herausforderung verstanden. Zugleich sagt er, dass ein elementarer Aufbruch zur Freiheit hin, auch wenn er zunächst scheitert, in der Geschichte der Menschen ein untrügliches Zeichen setzt. Das Politische hat ein Nachleben. Es wiederholt sich, nicht wie Marx sagt als Groteske, sondern dadurch, dass es beim zweiten oder siebten Mal sich glücklich verwirklicht. Die Philosophie von Georges Didi-Huberman stellt die Ausdrucksweisen der Künste und der Moderne in den Zusammenhang dieser Perspektive der “permanenten Aufklärung”. Vieles in Programmen und Texten der Aufklärung erweist sich unter den bitteren Erfahrungen des 20. Jahrhunderts als Phrase. Georges Didi-Huberman nimmt den Schlusssatz in der ersten Ausgabe der DIALEKTIK DER AUFKLÄRUNG: (fortzusetzen), wörtlich. Sein letztes, in Deutschland noch nicht erschienenes Werk handelt von den Waffen des Geistes und der Waffe der Tränen. Besuch bei Georges Didi-Huberman in Paris.

Erstausstrahlung am 04.07.2016

1.000 Jahre Portugal

Lusitanien, die ehemals römische Provinz am Atlantik, kommt schon im Hochmittelalter zu neuer Bedeutung. Wenig später ist das Königshaus über ganz Europa mit den führenden Familien versippt. Dabei bleibt das Gelände, das später Portugal heißen wird (anders als viele andere europäische Länder), ein in sich geschlossenes, mit sich selbst identisches Gebilde. Mit dem Fürsten und Unternehmer Heinrich dem Seefahrer und mit Vasco da Gama beginnt eine Eroberung der Welt zur See. In einem vom Papst garantierten Vertrag wird die damals bekannte Welt in zwei Hälften aufgeteilt: Die eine gehört zum spanischen, die andere zum portugiesischen Reich. Die Grenzziehung kann man heute noch in Lateinamerika verfolgen, wenn in Brasilien Portugiesisch, in den übrigen Teilen des Kontinents Spanisch gesprochen wird. “Sebastian, der Ersehnte”, der aus einer grässlichen Niederlage in Marokko nicht zurückkehrt, gehört zu den markanten Zeichen von Portugals tausendjähriger Geschichte ebenso wie das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755 und die aufgeklärt-autokratische Herrschaft des Marquis de Pombal, der Exodus des königlichen Hofes, als Napoleons Armeen vor Lissabon stehen, nach Brasilien. Die von England diktierte imperiale Arbeitsteilung lässt Portugal die Industrialisierung versäumen. Für verblüffende und dramatische Wendungen wie die Nelken-Revolution ist Portugal auch in der Moderne immer noch gut. Bewundernswert, wie die Schuldenkrise von diesem Land gemeistert wurde. Prof. Dr. Walther Bernecke, Historiker an der LMU München, berichtet. Erstausstrahlung am 08.06.2016

Die Macht am Mittelmeer

Das Nachkriegseuropa und die EU basieren auf der Achse zwischen Frankreich und der Bundesrepublik. Das war für Frankreich historisch nicht selbstverständlich. Frankreich war immer auch ein mittelmeerisches Land und die Idee einer Mittelmeer-Union, eines lateinisch dominierten Mittelmeerreichs war für die französische Tradition stets lebendig: Outremer. Wolf Lepenies, lange Zeit Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin und Hochschullehrer in Princeton und an Berliner Universitäten, knüpft in seinem Werk DIE MACHT AM MITTELMEER an Fernand Braudels Klassiker LA MEDITERANNEE DANS LE SIECLE DE PHILIP II, das Standardwerk der bekanntesten Historikerschule Frankreichs, der ANNALEN, an. Aus diesem Werk kommt auch die Perspektive der “longue durée”. Dieser Perspektive folgt die Untersuchung von Wolf Lepenies quer durch das Dickicht wechselnder Aktualitäten. Bei Braudel steht die Seeschlacht von Lepanto im Zentrum, an der sich entschied, ob das Mittelmeer osmanisch oder westlich beherrscht wird. Tatsächlich ist diese Frage nie endgültig entschieden worden, auch wenn die Identität der Mächte wechselte. Noch heute zeigt der Flüchtlingsstrom und der Krisenherd im nahöstlichen Bereich verblüffend, wie löcherig, umstritten und bebengefährdet die Macht am Mittelmeer ist. Das Buch versucht, die Sache mit den Augen Frankreichs zu sehen. Da findet sich Napoleons Zug nach Ägypten. Jahrzehnte später marschieren die Legionäre Napoleons des Dritten in Syrien und Afrika ein. Einen Moment lang scheint es, dass Mittelmeer, Afrika, Frankreich und die Welt der großen Weltausstellungen hier im Süden eine neue Wirklichkeit schaffen. Das geht mit dem preußisch-deutschen Sieg bei Sedan verloren. Aber noch in den Jahren nach 1945 verfolgen Charles de Gaulle und Robert Schuman, der Mitbegründer der Montan-Union, Projekte, die sich auf Afrika, den Nahen Osten und eine Mittelmeer-Union beziehen. Eine Arbeit des politischen Publizisten Alexandre Kojève, von der man nicht weiß, ob sie Charles De Gaulle vorlag und ihn beeinflusste, entwickelt ein plastisches Modell der Mittelmeer-Union als Schwesterprojekt zur E.U. Als Präsident Sarkozy Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands dieses Projekt neu aufgreifen wollte, wurde es durch deutschen Starrsinn blockiert. Man muss sich, sagt Wolf Lepenies, vorstellen, was die Wirkung einer Mittelmeer-Union, ausgehend von Frankreich, unterstützt von der E.U., gewesen wäre, wenn es sie zum Zeitpunkt des “Arabischen Frühlings” gegeben hätte. Möglicherweise sähen wir dann heute kein bombardiertes Aleppo. Lateinamerika, bezogen auf die spanische Sprache, steht dem Projekt Latein-Afrika, bezogen auf die Frankophonie, gegenüber. Insofern ist eine Kooperation im Süden und im Nahen Osten in Gefahr, aber nicht endgültig verschlossen. Es bedarf einer Abkehr von der politischen Oberflächlichkeit und von der Hybris, mit der Europa vor allem dem Kontinent Afrika begegnet, damit solche heterotopischen Chancen wahrgenommen werden. Begegnung mit Wolf Lepenies und seinem spannenden Werk DIE MACHT AM MITTELMEER. FRANZÖSISCHE TRÄUME VON EINEM ANDEREN EUROPA.

Erstausstrahlung am 28.02.2017

Wieviel Krisen verträgt die Welt?

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz versammeln sich jährlich die für die Sicherheit in der Welt verantwortlichen Politiker, Militärs & Experten. Im Gespräch mit Sebastian Kurz.