AMOK

Was die Europäer an den asiatischen Amokläufern im 19. Jahrhundert schockierte, sagt Prof. Dr. Joseph Vogl, war der “Terror der Nicht-Unterscheidung”. Aus einem Anlass, der zu einem Gemetzel in keinem Verhältnis stand, also “ohne Grund” und gleicherweise grausam gegen Freund und Feind, rannten Mörder durch die Dörfer und töteten. Sie riefen: “Amok, Amok”, was so viel heißt wie: “Vernichtet sie”. Inzwischen gehören auch in den westlichen Ländern Amokschützen zu den großen öffentliche Zeichen, die eine Zeitenwende signalisieren. Die Amokschützen bevorzugen öffentliche Plätze, “befriedetes Gelände” wie Kaufhäuser, Universitätsgelände, Schulen und Kirchen. Wie Tötungsmaschinen töten sie unterschiedslos, was sich bewegt. Sie verhalten sich wie “Menschenfeinde”, sie bekriegen eine statistisch abgesicherte Welt, sagt Prof. Dr. Vogl, als dasjenige, was aus jeder Versicherungsrechnung herausfällt. Sie signalisieren DAS ENDE DER EINFÜHLUNG. Prof. Dr. Vogl, von der Bauhaus Universität Weimar, berichtet. Mit Beispielen aus Java, Tasmanien, U.S.A., Schottland u.a.

Erstausstrahlung am 04.08.2002

Josef Wilfling, Mordermittler

In einer Affekttat stampft ein Baggerführer seinen Chef, der ihn seit Jahren mobbte, in die Baugrube. Ein junger Mathematiker will seine Kinder, Zwillinge, planwirtschaftlich zur Nahrungsaufnahme und zum Schlafen zum gleichen Zeitpunkt abrichten. In seinem Ärger, dass das nicht gelingt, schüttelt er eines der Kinder, das am Schütteltrauma stirbt. Ein Einser-Jurist von intellektuellem Glanz versucht den perfekten Mord zu begehen. Ein Zufall spielt ihm einen Streich. Er wird überführt. Eine Pflegerin tötet den ihr anvertrauten Greis. Das Verbrechen ist raffiniert und kaltblütig. Es wird aufgedeckt. Dies sind Fälle aus dem neuen Buch des langjährigen Chefs der Münchner Mordkommission Josef Wilfling: UNHEIL. WARUM JEDER ZUM MÖRDER WERDEN KANN.

Erstausstrahlung am 15.09.2013

Die Knochenjägerin

Vor Gericht begutachtet sie Leichen: die Forensikerin und Anthropologin Prof. Dr. Kathleen Reichs. Außerdem schreibt sie berühmte Romane wie “Flash and Bones” und produziert die TV-Erfolgsserie “Bones” (Knochen). Es gibt wenige Autoren von Kriminalromanen in der Welt, die zugleich beruflich eine unbestrittene wissenschaftliche Autorität sind. Kathleen Reichs wurde am 11.9. ebenso wie bei den Massakern in Ruanda als Expertin hinzugezogen. Sie untersucht aber auch Skelette von Toten, die durch Verbrecher in Beton gegossen wurden, um solche Opfer zum Verschwinden zu bringen. Begegnung mit der Knochenjägerin: der literarischen und wissenschaftlichen Koryphäe Kathy Reichs.

Erstausstrahlung am 23.04.2012

Die Guillotine

Ein Beitrag zur Serie: 200 Jahre Französische Revolution. Hier geht es um die Guillotine. Die Französische Revolution wollte mehr Menschlichkeit auch für jene, die zum Tod verurteilt waren. Der Apotheker Guillotin erfand eine Schneidemaschine zum Abschneiden von Köpfen, die berühmte Guillotine. Dass jemand, der langsam geboren und langsam aufgewachsen ist, so schnell zu Tode kommt, ist ein Schock. Karl-Heinz Bohrer, berühmter Essayist und Herausgeber der Monatszeitschrift Merkur, Zeitschrift für Europäisches Denken, berichtet in der Sendung “10 to 11” über den Schrecken, den diese Maschine verursachte. “Die Kategorie der Plötzlichkeit und das Bild des Schreckens.”

Erstausstrahlung am 30.05.1988

Das Attentat

Ein Stück Paranoia (eine Spielart der Vernunft) gibt es in jedem Menschen. Die zugespitzte Form davon nennt Immanuel Kant den TÖDLICHEN SCHARFSINN. In ihrer extremen Form ist die “falsch dichtende Einbildungskraft”. Sie ist, so Kant, die Mutter der Attentate. Attentate haben eine lange Geschichte von Brutus bis zu den Selbstmordattentätern des 21. Jahrhunderts. Siebenhundertfünfzig Seiten umfasst die verblüffende und spannende KRITIK DER PARANOISCHEN VERNUNFT mit dem Titel “Das Attentat” von Manfred Schneider, Universität Bochum.

Erstausstrahlung am 27.03.2011

Das Maß der Gerechtigkeit

Gerade in Zeiten des Umbruchs steht die Rechtskultur eines Landes auf dem Prüfstand. Entscheidend für die Qualität einer Rechtsordnung, sagt Prof. Dr. Paul Kirchhof, 12 Jahre lang Richter am Bundesverfassungsgericht und Rechtslehrer an der Universität Heidelberg, ist das MASS DER GERECHTIGKEIT. Dies ist auch der Titel seines neuen Buches, in dem er von konkreten Beispielen für solche Maßverhältnisse ausgeht: Von dem Fall des Müller Arnold im Preußen von Friedrich dem Großen, der Geschichte von Gyges und seinem Ring in der Antike, der Geschichte vom gestohlenen Geldbeutel (von Johann Peter Hebel) und dem Richterspruch im Fall der 12 Kamele. Prof. Dr. Paul Kirchhofs Buch enthält einen leidenschaftlichen Aufruf gegen Kleingläubigkeit und Resignation in der Bundesrepublik. Es ist unverkennbar: Wir brauchen eine entschlossene und große Reform unseres Gemeinwesens. Sie muss sich daran orientieren, dass es vor allem um die Produktion von Vertrauen geht. Prof. Dr. Paul Kirchhof über Gerechtigkeit als Vertrauenssache.

Erstausstrahlung am 06.12.2009

S.M.A.S.H.

Plötzliche Angriffe auf Menschen in der Öffentlichkeit mit vielen Opfern gehören zu den erschütternden Bildern unserer Zeit. Die Kriminologen unterscheiden dabei zwischen Amok, Attentat und dem Oberbegriff S.M.A.S.H., dem “Sudden Mass Assault Syndrome with Homicide”. Gemeinsam ist diesen Taten, dass sie die Öffentlichkeit suchen und in den meisten Fällen die Selbstvernichtung des Täters einschließen. Prof. Dr. Joachim Kersten berichtet.

Erstausstrahlung am 09.02.2003

Herzlichkeit der Vernunft

Ferdinand von Schirach ist bekannt als Strafverteidiger und zugleich als erfolgreicher literarischer Autor. Sein Theaterstück „Terror“ gehört an deutschen und ausländischen Bühnen zu den meistgespielten Gegenwartsdramen. In der vorliegenden Sendung geht es um den Prozess Calas, um moderne Prozesserfahrung und ihre Wiedergabe in den Stoffen des True Crime. In einer Atmosphäre des religiösen Fanatismus wurde im Jahre 1762 der hugenottische Kaufmann Jean Calas wegen angeblichen Mordes an seinem Sohn in einem haarsträubenden Prozess zum Tode verurteilt und gerädert. Bis zuletzt suchten die Justizbehörden ein Geständnis von ihm zu erlangen. Die furchtbare Exekution ertrug Calas mit bewundernswerter Haltung. Der Philosoph, Theatermann und Anwalt Voltaire griff diesen Fall auf und setzte die Kassation des Urteils durch das königliche Obergericht in Paris durch. Europas Öffentlichkeit verfolgte mit Spannung diese Kampagne. Es war der erste Durchbruch einer kritischen Öffentlichkeit gegenüber mittelalterlicher Justiz. Voltaires Schrift „Über Fanatismus“ begründete die Aufklärung im Justizwesen. Von da an wurde (außer in Diktaturen) der Ausschluss von Öffentlichkeit, also Geheimprozesse, unmöglich. Es galt künftig Voltaires Satz: „Wenn 1.000 Zeugen etwas Unsinniges behaupten, gilt immer noch die Macht der Tatsache.“ Mit der Intervention Voltaires entstand exemplarisch der Typ des „Anwalts der Öffentlichkeit“ und der Begriff des „philosophe“ in Frankreich. Bis hin zur Affäre Dreyfus war kritische Öffentlichkeit eine Institution. Diese Richtung der Vernunft kommt nicht aus dem Verstand, sondern aus dem Herzen. Es gehört Großmut, Wagemut und Entschiedenheit zu diesem Typ des kritischen Geistes. „Denken ist eine Form des Verhaltens“. Das ist im 21. Jahrhundert aktueller denn je. True Crime, also die authentische Darstellung von Verbrechen und ihrer Verfolgung, gehört zu den attraktiven Stoffen der Massenmedien, aber auch der Poetik. Das reicht von Kleists Boulevardzeitung von 1810 BERLINER ABENDBLÄTTER über Edgar Allen Poe bis zu Truman Capote und dem breiten Netz moderner Stoffe bis hin zu „Making a Murderer“ und „Drugs Inc.“. In dem Gespräch – einem Beispiel für „Gründlichkeit“ – nimmt Ferdinand von Schirach die Reibungsfläche zwischen Klischee und authentischer Dichtung ins Visier. Poetik ist „die Kunst, Unterschiede zu machen“. Kein Zeitalter hatte einen solchen Bedarf und eine solche Fülle an Stoff für die Dichtkunst vor Augen wie unser 21. Jahrhundert.

Erstausstrahlung am 24.08.2016

Der Millionenräuber

Ludwig Lugmeier ist bekannt für seine Taten als Bankräuber und für seinen legendären Sprung aus dem Gerichtssaal mit anschließender Flucht. Sein Fluchtweg reichte über Ecuador und Island bis zurück ins Gefängnis. Dort begann er zu schreiben. Inzwischen hat er zwei erfolgreiche Bücher veröffentlicht, die die Erfahrungen seines Lebens verarbeiten. Begegnung mit Ludwig Lugmeier.

Erstausstrahlung am 22.01.2006