Podcast: Zaubermittel Geld

Episoden:

Geld verschwindet in der Hand

Geld ist der offenen Gewalt überlegen. Deshalb ist keine moderne Zivilisation bekannt, die auf das Zaubermittel Geld verzichten kann. Jemand, der sich aufs Geld verlässt, hat mit ungewisser Zukunft zu tun. Das ist die „Unruhe des Geldes“. Ursprünglich wurde das Zaubermittel Geld erfunden, um Unsicherheit zu beseitigen. Tatsächlich, sagt der Ökonom und Soziologe Prof. Dr. Dirk Baecker, ist die Unruhe der Treibsatz des Geldes. Über Geldwert und Geldverlust im Verlauf der Zeiten.

Erstausstrahlung am 04.07.2004

Ein Kapital namens Vertrauen

Was setzt in der freien Wirtschaft die Dynamik besonders in Gang? War es die Dampfkraft, waren es die Fabriken, sind es die neuen Produkte? Oder bestimmt über die Dynamik der Verbraucher? Wie funktionieren die Quantensprünge in der Ökonomie? Gibt es ein Kapital, das für Geld allein nicht zu haben ist? Prof. Dr. Hartmut Berghoff, Direktor des Instituts für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Göttingen, berichtet.

Erstausstrahlung am 29.12.2003

Was für einen Roman erzählt die Börse?

Börsenwerte und Geld erzählen Geschichten. Das machen auch die Romane. In beiden Medien, im Fiction-Roman und an der Börse, werden Netze der Fantasie gewebt. Die Romane bewahren diese in den Netzen enthaltene Erfahrung auf. Der Börsencrash dagegen zerreißt das Netz. Der Kulturforscher Prof. Dr. Joseph Vogl von der Bauhaus-Universität Weimar über die Poesie, die Reichtum schafft.

Erstausstrahlung am 22.05.2000

Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert

Seit kurzem erhält man Cent-Stücke des Euro von den Zentralbanken nur noch auf besonderen Versteigerungen, gegen Aufpreis und in Mengen von über 300.000 Euro im Container. Die Produktion eines 1-Cent-Stückes kostet 3 Cent und ist somit teurer als der Nennwert. Die Schuldenberg-Ökonomie untergräbt die Achtung vor dem „Pfennig“, der doch das Geld des armen Mannes bleibt. Es ist interessant zu beobachten, dass jede Kultur, jede der verschiedenen Nationen Europas traditionell eine verschiedene Haltung zum Kleingeld hat. Der mangelnde Respekt vor den kleinen Münzen schafft im Bewusstsein und in der wirtschaftlichen Praxis ein großes Problem. Der Professor für Politische Ökonomie Dr. Birger P. Priddat, Zeppelin-Universität Friedrichshafen, berichtet.

Erstausstrahlung am 19.09.2011

Kapitalismus als Religion

Ein Fragment des großen Philosophen Walter Benjamin hat den Titel KAPITALISMUS ALS RELIGION. Die Skizze umfasst wenige Seiten, war aber das Parallelprojekt gegenüber dem über mehrtausendseitigen Werk Benjamins, dem „Passagen-Werk“. Sind wir westlichen Menschen ebenfalls Fundamentalisten, bemerken es nur nicht? Steckt unser religiöser Glauben im Auf und Ab der Börsen, der Art, wie wir Fremdes ausgrenzen und in unseren kulturellen Begriffen? Dirk Baecker, Soziologe an der Universität Witten-Herdecke, über den Ökonomen Adam Smith, die Lehre von der „Unsichtbaren Hand“ und vor allem über Walter Benjamins KAPITALISMUS ALS RELIGION.

Erstausstrahlung am 30.11.2003

Gespräch mit einem Griechen über das Kleingeld

Mit großen Scheinen sind die Schulden der Republik Hellas nicht abzutragen. Wie wäre es, wenn man statt von den Milliardensummen vom Cent ausgeht? Alexis Chrysos, Leiter einer Spielbank in Alexandria, über die Chancen und Beleihungsmöglichkeiten der verborgenen Schätze Griechenlands und des Kleingelds, das für arme Menschen den „real existierenden Kapitalismus“ darstellt. Gerade hier aber, so Alexis Chrysos, zeigen sich die Europäischen Zentralbanken besonders kleinlich. Sie verausgaben 1-, 2- und 5-Centstücke nur noch in Form von Versteigerungen in Containern von mindestens 314.000 Euro und gegen Aufpreis. Das widerspricht, sagt Alexis Chrysos, dem Leitsatz: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert“: Peter Berling als erfahrener Spielbankchef Alexis Chrysos.

Erstausstrahlung am 21.08.2011

Was ist Erkenntnis?

Die „Kritik der reinen Vernunft“ von Immanuel Kant ist bekannt. Jetzt publizierte Jochen Hörisch, Literaturwissenschaftler an der Universität Mannheim, sein Buch „Kritik der unreinen Vernunft“. Im Kern steht der bahnbrechende Theoretiker der Kritischen Theorie Alfred Sohn-Rethel. Ein wichtiger Aspekt der „Dialektik der Aufklärung“, so Hörisch und Sohn-Rethel, beruht auf der Beobachtung, dass erst die industrielle Praxis und der Welthandel die Abstraktionen erfand. Danach zogen die klassischen Philosophen wie David Hume und Immanuel Kant daraus die Konsequenzen von Rationalität und Aufklärung: erst tun die Menschen etwas, danach ziehen sie daraus Einsichten. Diese Beobachtung stellt die Erkenntnis vom Kopf auf die Füße. Dass die Wurzel des die Welt übergreifenden Denkens im Geld und dem Warentausch ihre Wurzel hat, macht die Vernunft „unrein“, aber umso vitaler. Jochen Hörisch: Was ist Erkenntnis?

Erstausstrahlung am 30.06.2013

Adam Smith auf „Grand Tour“

Bis heute gilt Adam Smith mit seinen beiden Werken „Wealth of Nations“ und „On Human Sentiments“ zu den Ikonen der Volkswirtschaft. Die Theoretiker des Free Enterprise berufen sich auf ihn. Weitgehend unbekannt ist, dass Adam Smith seine entscheidenden ökonomischen Erfahrungen im merkantilistischen Frankreich machte. In Paris traf er David Hume und die französischen Enzyklopädisten. Aus dem Werk des für das 18. Jahrhundert maßgebenden Ökonomen Frankreichs Jacques Turgot entwickelte er seine prinzipiellen Vorstellungen. „Grand Tour“ nennt man die Bildungsreisen im 18. Jahrhundert. Adam Smith begleitete den Sohn eines reichen schottischen Herzogs auf einer solchen Bildungsreise. Reinhard Blomert hat Adam Smith und seiner „Grand Tour“ eine spannende Untersuchung gewidmet.

Erstausstrahlung am 08.06.2015

Der blinde Fleck in der Intelligenz der Banken

Wie verhalten sich intelligente Akteure in einem Labyrinth? Wie handeln Banken in der Krise? Worauf kann man sich verlassen? Der Sturz von Lehman Brothers und die Kollateralschäden, die die Bankenkrise auslöste, bilden eine Herausforderung an sämtliche traditionellen Lehrmeinungen in der Ökonomie und in der Soziologie. Dirk Baecker, Soziologe an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, über die Frage: Worauf kann man vertrauen? Worauf kann man auf keinen Fall vertrauen?

Erstausstrahlung am 15.11.2009

Wie lange haben wir noch Zeit?

Die starken Echos der Finanzkrise überdecken, dass sich die Probleme auf unserer Erde auch auf anderen Gebieten häufen. Der globale Countdown fordert die Verständigung über eine neue Weltordnung. Diese setzt eine nachhaltig stärkere Beteiligung und Eigeninitiative der Bürger voraus. Und zwar auf der Ebene, auf der sie sich auskennen. Der Journalist und Autor Dr. Harald Schumann, Redakteur des BERLINER TAGESSPIEGEL, berichtet.

Erstausstrahlung am 05.10.2009

Erklären Erfahrungssätze der Theoretischen Physik Einzelheiten der Finanzkrise?

Die Statistik sucht aus großen Zahlen von Ereignissen Durchschnitte zu ermitteln. Solche Durchschnitte entstehen, wie die Theoretische Physik und die Biophysik wissen, aus Extremen, die sich erst in der Gesamtrechnung zu einem Durchschnitt verbinden. Den sogenannten Durchschnitt gibt es in der Realität fast nirgends. Die Tücke der Statistik liegt darin, dass die Katastrophen und Lawineneffekte deshalb so überraschend hereinbrechen, weil sie Folge der im Mittelwert verschleierten unvereinbarten Gegensätze sind. Über solche Fragen besitzt die Theoretische Physik fundierte Erfahrungssätze, die für die Analyse von Finanzkrisen unmittelbare Bedeutung haben. Sie haben dies auch für Epidemien, die überraschende Knotenbildung in Netzwerken und zahlreiche andere soziale Phänomene. Prof. Dr. Bornholdt, theoretischer Physiker und Biophysiker an der Universität Bremen, berichtet.

Erstausstrahlung am 19.10.2009

Der Angriff der Zukunft auf die Gegenwart

Die große Finanzkrise wird vielfach mit dem Crash von 1929 verglichen. Näher liegt der Vergleich z. B. des Zusammenbruchs der Bank Bear Stearns oder Lehman Brothers mit der Havarie der Kernkraftwerke Tschernobyl oder Harrisburg. In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen Risiken, die durch Wahrscheinlichkeitsrechnung und die Mathematik des Grenzwertsatzes näher bestimmt werden können und purem NICHTWISSEN, das mit keinerlei mathematischen Formeln oder geschäftlichen Tricks ausgeglichen werden kann. Die tiefere Ursache der Finanzkrise, sagt der Soziologe Dr. Arnoldi, liegt im System der Ausgrenzung, des sog. „Framing“. In überkomplexen Technologien müssen Teile der Realität unbeachtet bleiben, damit überhaupt gehandelt werden kann. Was aber dabei ausgegrenzt wird, unterliegt bisher keiner hinreichenden Aufmerksamkeit. Die Forschungen von Niklas Luhmann (Kritische Systemtheorie) und Ulrich Beck (Risikotheorie) sind hier grundlegend. Der Soziologe Jakob Arnoldi, Vize-Dekan für Forschung an der Aarhus University in Dänemark, berichtet.

Erstausstrahlung am 28.06.2009

Geld und Charakter

Die Beziehung zwischen Reichtum und Geld auf der einen Seite und dem menschlichen Charakter auf der anderen Seite wird in den verschiedenen Jahrhunderten sehr unterschiedlich betrachtet. Im Mittelalter und der Neuzeit gibt es das Bild der soliden Bankiers (wie die Fugger), aber auch das des Geizhalses und des Wucherers. Die Melancholiker, in ihrer Abstinenz gegenüber dem Genuss, erscheinen als Gegenteil des Prassers und daher zu Geld und Verfügungsmacht über Reichtum zu passen. Die in der Literatur, den Lebensläufen und der öffentlichen Meinung um 1900 beobachteten Charaktereigenschaften sind davon verschieden. Der Soziologe Max Weber und der Philosoph Georg Simmel, der eine Theorie des Geldes schrieb, porträtieren neuartige Charaktere, die in Staat und Wirtschaft vorherrschen. Am Sockel reicher Familien gibt es aber auch die Dandys und die Spieler. Es entsteht der Typ, der das Spekulationsgeschäft beherrscht. Auf der anderen Seite sind die Gründer von Industrien und die Eisenbahnkönige durch das Objekt, mit dem sie umgehen, auf Charakterzüge der Kontinuität angewiesen. Was sind Kennzeichen heutiger Charaktere, die mit Geld und wirtschaftlicher Verfügungsmacht umgehen? Sie sind, sagt der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl von der Humboldt-Universität zu Berlin, durch die Veränderungen der Raumwelten und vor allem der Zeitwelten auf unserem Planeten im 21. Jahrhundert geprägt. Auf die Fähigkeit, mit diesen kollektiven „Zeitschwingungen“ (als Beschleuniger oder Verlangsamer) umzugehen, kommt es für Führungskräfte an. Hier entscheidet sich ihre Modernität. Ein Problem liegt darin, dass an das Führungspersonal widersprüchliche Anforderungen gestellt werden, deren Erfüllung sich ausschließt. Hier treten, sagt Vogl, „Masken der Humanität“ an die Stelle des Charakters. Begegnung mit Joseph Vogl, dem Verfasser von DAS GESPENST DES KAPITALS.

Erstausstrahlung am 22.09.2014

Geld macht den Dingen Beine

Die Instabilität der Finanzmärkte hat viele Menschen erschreckt. Die Finanzkrise hat die Frage in den Vordergrund gerückt: Worauf können wir vertrauen? Was heißt Ökonomie im 21. Jahrhundert? Dazu gehört die Frage: Was vermag das Geld und was vermag es nicht? Münzen im Shredder (dem Decoiner) sehen Mitleid erregend aus. Das täuscht darüber hinweg, wie vehement das Geld die menschliche Arbeit und den Austausch zwischen Menschen auf dem Globus vorantreibt. Es multipliziert die Entschlusskraft. Es macht die Waren und Wünsche autonom: Geld macht den Dingen Beine. Was nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, ist vereinbart – so funktioniert Vertrauen. Was nicht ausdrücklich vereinbart ist, ist ausgeschlossen – so funktioniert das Geld. Es bezeichnet lebenswichtige Unterschiede. Seine Mangelerscheinungen beginnen da, wo es nicht gilt: für die Liebe, die Wahrheit und die Autorität. Der Soziologe Prof. Dr. Dirk Baecker, Zeppelin-Universität Friedrichshafen, über die UNRUHE DES GELDES. Prof. Dr. Joseph Vogl, Humboldt-Universität Berlin, über den ZUKUNFTSHUNGER DES KAPITALS. Dazu Beiträge über den Erfinder des Papiergelds, John Law, über Geldscheine mit Opium-Deckung in Asien und über den spannenden Roman COSMOPOLIS von John deLillo, in dem es um den Tod eines großen Spekulanten in New York geht, der gegen den Yen wettete.

Erstausstrahlung am 28.03.2010

Kapitalismus ist keine Einbahnstraße

Hilmar Kopper, geboren 1935, war Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank und im Anschluss daran Vorsitzender von deren Aufsichtsrat. Die Abschnitte seines Lebens liegen in Zeiten, die sich rasch verändern. Wie beurteilt er aufgrund seiner Erfahrung die Finanzkrise, die wir heute erleben? Was ist der Kern des Bankgeschäfts? Was ist daran in Veränderung begriffen? Oder gelten die alten Tugenden? Was ist an dem Crash von 1929 und der heutigen Krise verschieden? Der Bankier Hilmar Kopper berichtet.

Erstausstrahlung am 14.12.2008

Die letzten drei Tage der Krise

Ein Maschinenbauunternehmen ist bei einem renommierten Bankhaus mit 100 Mio. DM verschuldet. Dieses Engagement gefährdet die Bank. Wird eine der führenden Großbanken diese kleinere Bank durch Sicherheiten schützen und so aus der „Schieflage“ herausführen? In unserem Magazin geht es um die letzten 3 Tage der Krise, die das Schicksal des Bankhauses besiegelten. Der persönlich haftende Gesellschafter stammt aus einer der angesehenen, katholischen Adelsfamilien in Deutschland. Er verlor in dieser Krise alles. Er berichtet.

Erstausstrahlung am 23.09.1991

Der flexible Unternehmer

Wohin mit dem Tiermehl? Eine Frage an den Experten. Ein Weg führt aus der EU heraus in die Länder des Ostens. Von Odessa werden die hochwertigen Bestände sodann nach Ungarn, dem Aspiranten für den EU-Beitritt, überführt und in Salami verwandelt. Man muss nämlich die Ware so einlagern, dass sie nicht als Currywurst oder Leberkäse in Erscheinung tritt, sondern als Edelprodukt. Der Händler Fred Eicke lässt seinen Sohn Jura studieren. Er soll die Sammelklagen in New York vorbereiten helfen, die für die Opfer der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung angestrengt werden. Das nennt Fred Eicke seine Salami-Taktik. Peter Berling als Tiermehlfabrikant Fred Eicke.

Erstausstrahlung am 18.02.2001

Kaufen und Verkaufen

Ursprünglich waren Börsen ein Treffpunkt von Kaufleuten. Später wurden sie zu Zentren des Weltpapierhandels. Heute bilden sie auf unserem Planeten die Schaltstelle aller Geldwerte und Waren. Im Zeitalter der Globalisierung sind sie das rascheste Kommunikationssystem der „Weltöffentlichkeit“. Dr. Christoph Boschan, Börsenpraktiker und Autor eines bekannten Fachbuchs über den Wertpapierhandel und Börsenpraktiker, berichtet.

Erstausstrahlung am 31.08.2008

Der Absturz von Karstadt-Quelle-Arcandor

Ein großer Kaufhauskonzern gerät durch Fusion mit einem renommierten Versandhaus und mehrere missglückende Rettungsversuche in eine Abwärtsspirale. Mit der Havarie ist die Laufbahn bekannter Manager verknüpft. Der Journalist und Autor Hagen Seidel hat die Katastrophe in seinem Buch „Arcandors Absturz“ dokumentiert.

Erstausstrahlung am 30.05.2011

Störung als Motor der Organisation

Organisation antwortet auf Störung. Führung und Management in der Moderne, sagt der Soziologe Dirk Baecker, ist nichts anderes als die „geordnete Störung einer Organisation“. Ohne solche Störungen (die entweder von außen oder von innen, von oben oder von unten kommen) wird die Organisation schläfrig und stumpf. Die Zeit des heroischen Managements und der heroischen Unternehmensführung ist vorbei. Prof. Dr. Dirk Baecker, Zeppelin-Universität in Friedrichshafen, über paradoxe und überraschende Besonderheiten im POST HEROISCHEN MANAGEMENT.

Erstausstrahlung am 17.06.2012

Der Gründer einer Denkfabrik

Roland Berger, Jahrgang 1937, gründete im Jahr 1967, zeitgleich mit dem Anfang der studentischen Protestbewegung, im Alter von 30 Jahren die Unternehmensberatung, die seinen Namen trägt. Sie umfasst inzwischen 2.500 Mitarbeiter, die alle als Freiberufler arbeiten. In der Zeit seit der Gründung dieser Denkfabrik hat Roland Berger (in einem Bogen von 45 Jahren) das Wirtschaftsleben der Welt und das der Bundesrepublik in einer Maßstäbe setzenden Position begleitet. Er berichtet über den Schuldenberg, die Krise in Griechenland, aber auch über die Auswege aus der Finanzkrise und über die Frage: Was sind die 7 Todsünden heute? Roland Berger im Porträt.

Erstausstrahlung am 19.02.2012

Buchführung der Seele

Fundamentalistische, archaische Religionen verbreiten sich nach einer Art Volkszählung. Sie zählen die Guten und organisieren sie gegen die Bösen. Auch der Kapitalismus, heißt es in einem Fragment von Walter Benjamin, ist eine solche Religion. Sie zählt die Welt nach SOLL und HABEN. Der Soziologe Dirk Baecker berichtet.

Erstausstrahlung am 08.09.2002

30.000 Gulden für eine Tulpenzwiebel

Der Holländer Ogier Ghiselin de Busbecq brachte im 17. Jahrhundert die Tulpenzwiebel aus der Türkei nach Europa. Die Tulpe, die nach nichts riecht, aber deren Farben manipuliert werden können, ließ sich zu riesigen Tulpenfeldern verbinden. Für einige besonders seltene Tulpenzwiebeln entstand im 17. Jahrhundert in Amsterdam und London eine schwindelerregende Spekulation aus dem ersten großen Börsenboom, die mit dem ersten großen Börsenkrach der modernen Wirtschaftsgeschichte endete. Was bringt die Fantasien hervor, die dem „Tulpenschwindel“ zugrunde liegen? Welche poetischen Kräfte sind in der Warenwelt verborgen? 30.000 Gulden für eine Tulpenzwiebel, das entspricht heute mehreren Millionen Dollar. Diskursforscher Dr. Bernhard Siegert über den poetischen Kern, der Rationalismus, Tulpenfelder und mittelalterliche Gift- und Drogenpflanzen verknüpft.

Erstausstrahlung am 11.08.1997

Absterben des Staates, Was heißt das?

Was bedeutet Globalisierung? Was davon verändert die Systemwelt, was davon ändert die Lebenswelt? Was bedeutet unter heutigen Bedingungen die politische Bezeichnung „links“? Was heißt Absterben des Staates? Oskar Negt, als Hochschullehrer für Soziologie und Philosophie zuständig, hält die derzeitige Verwendung des Wortes Globalisierung für phrasenhaft. Geldwirtschaft und Warnproduktion waren immer global, seit dem es Welthandel gibt. Soweit damit etwas Neues bezeichnet wird, sagt er, bedeutet das Wort nicht Prozesse der Verbindung zwischen den Völkern, sondern die Tatsache, dass sich besonders große Firmen der Kontrolle eines Geheimwesens entziehen. Es entschwinden dadurch die Bremsen und Beißhemmungen in der Wirtschaft. Prozesse, die alle Menschen angehen, entziehen sich der Mitbestimmung der Menschen. Der Klassische Ökonom Adam Smith, Begründer der Theorie des Welthandels, hätte dafür nicht das Wort Globalisierung, sondern das Wort Raubbau.

Erstausstrahlung am 27.09.1998

Ökonomie als fröhliche Wissenschaft

Der Philosoph Baruch Spinoza (1632-1677) ist jung gestorben. Sein letztes Buch TRACTATUS POLITICUS hat er nicht vollendet. In seiner ETHIK handelt er nicht von Moral, sondern von den „menschlichen Wesenskräften“, den selbstbewussten, lustvollen Beweggründen im Gegensatz zu den traurigen Leidenschaften, die dem Gemeinwesen und den Menschen nichts helfen. Gerade wenn wir erkennen, dass wir von unserer Gier und von außen fremdbestimmt sind, also von Natur keinen freien Willen haben, sind wir Menschen fähig, unsere Freiheit zu realisieren. Die Gedanken dieses Philosophen sind kühn und modern, über Friedrich Nietzsche (er schrieb die „Fröhliche Wissenschaft“) hinausgehend. Sie sind, sagt der französische Ökonom Frédéric Lordon, für unsere Fragen des 21. Jahrhunderts brennend aktuell. Man sollte, sagt Lordon, Marx und die Finanzkrise mit den Augen Spinozas neu lesen. Frédéric Lordon gilt als einer der bedeutendsten Ökonomen Frankreichs. Die Hypothekenkrise in den U.S.A. hat er als Erster vorausgesagt. Er kritisiert in seinen viel beachteten Schriften, dass die Finanzmärkte heute die Regierungen und die Menschen quasi in Geiselhaft nehmen. Wenn man hier ein Gleichgewicht wiederherstellen will, kann sich dieses nur auf die Autonomie und das Selbstbewusstsein von Menschen gründen. Dazu gehört die fröhliche und spontane Selbstbehauptung, die ein Erbe der menschlichen Evolution ist und von der Spinoza handelt. Spinoza, ein geistiges Fernrohr und Mikroskop, das über 400 Jahre hinweg präzise funktioniert. Begegnung mit Frédéric Lordon in Paris.

Erstausstrahlung am 20.10.2013